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Berliner Kabarett-Legende: Günter Neumann wäre dieses Jahr 100 Jahre alt geworden.

© promo

Eine Revue der Stunde Null: Das wäre ja Kritik an Alliierten!

Zum hundertsten Geburtstag der Berliner Kabarett-Legende Günter Neumann am 19. März hat das Kleine Theater in Friedenau seine Revue "Schwarzer Jahrmarkt" von 1947 neu inszeniert.

Zwischen hinkelsteingroßen Ruinenkulissen schwenken uniformierte und zivile Berliner weiße Fetzen. In der Abnormitätenschau des „Schwarzen Jahrmarkts“ erwacht der seit Goebbels Sportpalast- Rede schlafende meterbärtige Dormirus – und stellt falsche Fragen („Ist Moskau genommen?“). Auf kriegsbedingten Männermangel reagieren überlebensfixierte Frauen mit Abschlepphektik oder strip- begleiteter „Bedingungsloser Kapitulation“ im Fraternisierungslokal. Anlässlich des 100. Geburtstags der Westberliner Insulaner-Legende Günter Neumann am 19. März widmet ihm das Kleine Theater in Friedenau die Aufführung seines „Schwarzen Jahrmarkts“: Auf der Winz-Bühne wird die Stunde-Null-Revue des Texters, Komponisten, Pianisten und Filmautors, bearbeitet vom Kabarett- Guru Volker Kühn, neu aufgeführt.

1947, nach der Premiere dieses Bilderbogens im Cabaret Ulenspiegel, hatte der Kritiker Friedrich Luft gejubelt, den „phosphorizierend hintergründigen“ Figuren der Sketch-Folge sei „doppelter oder dreifacher Boden“ eingearbeitet. Satire ersetze das Zeittheater! Bei der zweiten Inszenierung, anno 1974 im Hebbel- Theater, klang Lufts Lob, da werde Zuschauern auf lustige Art richtiges Denken beigebracht, etwas gebremst. Damals waren viele Nachkriegs-Details bereits Nostalgie, obwohl es Viermächte noch gab: Was beim Verständnis des Vierzonen- Chansons hilft – wenn jenseits der Sektorengrenzen die verstreuten Zutaten für Kartoffelpuffer oder diverse Liebhaber jeweils schwer zu erreichen sind.

Leichter hat es das Stück Anno 2013 (Regie: James Lyons) nicht. Neumanns Witzpoesie blitzt auf, aber Probleme, Pointen bleiben harmlos fern; das Spar- Arrangement mit E-Piano bringt seine Potpourris und Dissonanzen kaum zum Leuchten. Zwei Songs allerdings gehen ans Herz: Wenn „La bella piccolina“ von ihren Eltern auf den Tauentzien-Strich geschickt wird: „Jetzt denken Se, sie verführten? / Doch das wäre ja Kritik an Alliierten!“ Wenn die inwendig zerteilte Berolina im zersplitterten Spiegelkasten über den berühmtesten Varietétrick sinniert: „Ja, Zersägen – das kann jeder / aber Ganzmachen, das ist schwer.“ Komisch, das trifft immer noch: nach 66 oder 23 Jahren.

Nächste Vorstellungen im Kleinen Theater, Südwestkorso 65, Schöneberg, am Mittwoch (6.3.) um 20 Uhr, vom 14. bis 16. März jeweils 16 und 20 Uhr und am 17. März um 18 Uhr. Tel. 821 20 21, kleines-theater.de.

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