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Berlin: Einfach zum Kugeln

Das Warten hat ein Ende – und fängt doch gerade erst an: Jetzt wird Deutschlands erste Bingohalle in Berlin eröffnet

Günter Münstermann muss diese Bilder aus England im Kopf gehabt haben, als er seine neuen Nachbarinnen in Steglitz zum ersten Mal sah. Hallen voller älterer Damen, die gebannt auf die allgegenwärtigen Anzeigetafeln starren, einen Zettel ausfüllen und dann und wann aufstehen und „Bingo“ rufen. Und daran, dass es so etwas für die Berliner bisher noch nicht gibt: Ein nettes Spiel – preiswert, gesellig, einfach. Und nun, drei Jahre später, hat auch Berlin eine Bingohalle, als erste ihrer Art in ganz Deutschland. Am Sonntag ist Eröffnung am Potsdamer Platz, im ersten Stock der Spielbank wurde ein Saal mit 330 Plätzen eingerichtet.

Sogar die speziellen Bingo-Stifte sind englisch: grellbunt hinterlassen sie für jede der gezogenen Nummern eine Markierung auf dem Spielschein. Das Bingo-Prinzip ist einfach und ein wesentlicher Grund, warum das Spiel nicht nur in England, sondern auch in Spanien oder Nordamerika so erfolgreich ist. Man kauft einen oder mehrere Spielscheine. Jeder ist anders, auf jedem sind sechs Felder mit 15 beliebigen Zahlen. Insgesamt taucht jede Zahl von 1 bis 90 aber genau einmal auf; der Zufall bestimmt, welche Zahlen sich in welchen Feldern befinden. Nach und nach werden alle Zahlen gezogen, mit Hilfe von Kugeln, die in einem Apparat zirkulieren, der so funktioniert wie die Maschine der Lottofee im Fernsehen. Wenn die 15 Zahlen eines Spielscheinfelds komplett aufgerufen worden sind, ruft der Spieler laut „Bingo“ und gewinnt, das Spiel ist beendet.

Bingo-Hallen gab es in Deutschland bislang nicht, weil hier die Gesetze so verzwickt sind. Bingo funktioniert nämlich wie Lotto: Je mehr Leute mitspielen, desto mehr Geld wird ausgespielt. „Totalisator-Prinzip“ nennt Münstermann das. Aber zugleich braucht man für ein echtes Bingo-Erlebnis eine Gruppe von Spielern, die Lotto mangels Versammlungsstätten wiederum nicht bieten kann. Darum mussten sich Günter Münstermann (er hat das Haus) und Hans-Jürgen Reißiger, Chef der staatlichen Klassenlotterie (er hat die Konzession) zusammentun und eine neue Firma für das Live-Bingo gründen. Zuvor hatte man den Markt analysiert und festgestellt, dass es in Berlin genug Senioren gibt – denn die sind für Münstermann die Zielgruppe: „Die treffen sich dann hier zum Kaffeekränzchen mit Bingo.“

Bingo lebt nicht nur davon, dass möglichst viele Leute mitspielen und für hohe Gewinne sorgen – auch ein zweites Gesetz des Glücksspiels gilt: Es geht mehr Geld rein als rauskommt. Zwei Euro kostet ein Spiel, für zwölf Euro kann man sechsmal Bingo und die Bonus-Runde spielen. 65 Prozent des Einsatzes werden wieder ausgespielt, 16 2/3 Prozent des Verkaufserlöses gehen als Lottosteuer an das Land, der Rest ist Gewinn der Spielbank. Wenn der Laden erwartungsgemäß läuft, bekommt Berlin dank Bingo zwei Millionen Euro zusätzlich. Zum Vergleich: Aus dem Casino-Betrieb hat die Spielbank 2001 rund 65 Millionen Euro Steuer bezahlt.

Als „ideale Mischung aus Entertainment und Glücksspiel“ preisen die Macher ihr Projekt. In der Tat sitzt man an Sechsertischen, doch die Kommunikation läuft vor allem so, dass Dorothea Schulz die Nummern verliest und die Spieler die Ziffern auf dem Zettel suchen. Vielleicht trifft Münstermann dann sogar eine seiner Steglitzer Damen und stellt fest, dass Berlinerinnen und Engländerinnen so unterschiedllich doch nicht sind.

Live-Bingo ab Sonntag täglich von 14.30 bis 23.30 Uhr, Marlene-Dietrich-Platz 1; Eintritt frei, keine Kleiderordnung, ab 18 Jahre.

Jörg-Peter Rau

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