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Links die Autos, rechts Getöse. Weihnachtsidyll an der Eisstockbahn.

© Doris Spiekermann-Klaas

Eisstockbahn auf der Friedrichstraße: Hüttengaudi im Abgasdunst

Links Weihnachtsfeier, rechts Feierabendverkehr: Ein Besuch auf der Eisstockbahn in der Friedrichstraße, die es ja zur einiger Berühmtheit gebracht hat.

Jetzt bloß nicht ablenken lassen, volle Konzentration auf die Bahn. Hinter Evelyn Wallor dröhnen die Presslufthämmer der Baustelle Unter den Linden, aus den Boxen schmettert Wolfgang Petry seine Schlager. Kaum zwei Meter rechts von ihr quälen sich die Autos im Schritttempo über die Friedrichstraße. Büroheimkehrer werfen skeptische Blicke herüber: Was zum Teufel macht die da?

Wallor fixiert ihr Ziel, federt leicht in den Knien und schickt den Eisstock auf die Reise. Das Geschoss saust über die 20 Meter lange Bahn, prallt mit einem satten „Klonk!“ auf einen anderen Eisstock, drückt ihn an die Plexiglasbande. Wallors eigener Eisstock bleibt mitten in der Zielzone liegen. Volltreffer, Punkt für „Team Klimaschutz“. Die Kollegen applaudieren, Wallor muss abklatschen. Ihr Wurf hat das Spiel entschieden, das Team „Berliner Moore“ ist geschlagen.

Noch bis Jahresende steht die Anlage Unter den Linden

Die Weihnachtsshopper, die den Meisterwurf von der Bande aus mitverfolgt haben, greifen sich ihre Einkäufe und ziehen weiter. „Der Trick ist, im richtigen Moment loszulassen“, erklärt Wallor ihr Erfolgsrezept, „es ist wie beim Kegeln, nur leichter.“ Wallor und ihre Kollegen aus dem Fachbereich „Bodenkunde“ der Humboldt-Universität haben sich einen merkwürdigen Ort für ihre Weihnachtsfeier ausgesucht: die Friedrichstraße. Mehr als ein Jahr wurde hier gebaut, am Freitag wurde die Straße für den Verkehr in Richtung Norden freigegeben. Die Fahrbahn in die andere Richtung bleibt gesperrt: Denn hier steht die Eisstockbahn, mitten auf der Straße, mitten im Weihnachtstrubel. Nur ein provisorischer Radweg trennt sie vom fließenden Verkehr, Betonteile und gelbe Warnleuchten markieren die Pufferzone zwischen Radlern und Autos.

. Der Veranstalter nennt die Anlage „Berlin on Ice“, obwohl auf Kunststoffbelag gespielt wird. Noch bis Jahresende steht die Eisstockbahn auf dem Straßenabschnitt zwischen Unter den Linden und Mittelstraße, trotz der wenig einladenden Lage läuft das Geschäft sehr anständig. „Schon vor der Eröffnung Ende November war die Bahn so gut wie ausgebucht, mittlerweile sind nur noch Termine nach Weihnachten frei“, sagt der Bahnmanager zufrieden.

Wer reserviert hat, kriegt eine Stunde Spielzeit, Kurzentschlossene haben keine Chance. Immerhin können sie sich in der Holzbude nebenan mit heißen Getränken und Bockwurst eindecken. Für die meisten ist die Eisstockbahn ein Zwischenstopp auf der Weihnachtsfeier. Auch Wallor und ihre Mitstreiter ziehen noch weiter: Erst zum Mexikaner, später vielleicht in einen Club. Vom Verkehr lassen sie sich nicht irritieren: „Das geht schon in Ordnung, hier ist doch immer irgendwo Baustelle.“

Klonk! Rechts zischen die Autos vorbei, auf dem Eis schlittern die Spielgeräte.

© Doris Spiekermann-Klaas

Eine Baustelle war auch die Ursache für die ungewöhnliche Lage der Bahn: „Sonst stehen wir immer auf dem Mittelstreifen Unter den Linden“, sagt der Manager, „das ist natürlich der schönere Standort.“ Nur liegt er genau da, wo jetzt die Presslufthämmer dröhnen. Als Nächstes kommt die Belegschaft eines Ingenieurbüros. Eike Faulseit und seine Kollegen entwickeln sonst Motoren für die Autoindustrie, jetzt feiern die Männer ihre Premiere im Stockschießen. Die exponierte Lage mitten auf der Friedrichstraße ficht sie nicht an: „Ich wusste auch nicht genau, wie das hier aussieht – aber es wird schon gehen“, meint Faulseit und schickt den ersten Eisstock seines Lebens auf die Reise. Ohnehin sei man ja auch nicht wegen der schönen Lage hier. „Mal ran hier, Prost!“, gibt Faulseits Chef die Abenddevise aus. Die Kollegen stoßen mit Glühwein an. „Aber nicht die Gläser auf die Straße schmeißen, da sind drei Euro Pfand drauf!“, wirft ein Kollege ein. Der Abend kann beginnen.

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