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Berlin: Entfernungspauschale: CDU und SPD bleiben pauschal entfernt

Wenn der Bundesrat am 21. Dezember über die neue Entfernungspauschale abstimmt, wird sich das Land Berlin der Stimme enthalten.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Wenn der Bundesrat am 21. Dezember über die neue Entfernungspauschale abstimmt, wird sich das Land Berlin der Stimme enthalten. Der Senat legt seine Haltung bereits heute fest: Die CDU ist dagegen, die SPD ist dafür. Bei einem solchen Patt schreibt die Koalitionsvereinbarung Stimmenthaltung vor. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen signalisierte schon in seiner Haushaltsrede am vergangenen Donnerstag im Abgeordnetenhaus, dass er die Pläne der rot-grünen Bundesregierung für unsozial und nicht stadtverträglich hält.

Ein leitender Angestellter, der in Falkensee wohne und nach Berlin zur Arbeit fahre, erhalte über 4000 Mark vom Finanzamt zurück, rechnete Diepgen vor. Ein Berliner Arbeiter, dessen Arbeitsstätte in Hennigsdorf stehe, könne nur mit 1000 Mark Steuererleichterung rechnen. Und die alleinstehende Mutter, die innerhalb der Stadt knapp zehn Kilometer zur Arbeit fahre und auf das Auto angewiesen sei, weil das Kind noch in die Kita gebracht werde müsse, habe von der neuen Regelung überhaupt nichts. Denn erst ab dem elften Kilometer erhöht sich die Pauschale um zehn Pfennig.

Will Diepgen jetzt wiedergutmachen, was er aus Sicht der Bundes-CDU mit der Zustimmung zur rot-grünen Steuerreform im Bundesrat versaubeutelt hat? "Quatsch", sagt Senatssprecher Michael-Andreas Butz. Der Regierende Bürgermeister vertrete lediglich Landesinteressen. Das sehen die Berliner SPD, die PDS und die Grünen zwar anders, aber richtig ist, dass Diepgen in Sachen Entfernungspauschale im engen Schulterschluss mit den beiden anderen, sozialdemokratisch geführten Staadtstaaten Hamburg und Bremen steht. Die gestaffelte Pauschale fördere "Stadtflucht und Zersiedlung", wettert Bremens Bürgermeister Hartmut Perschau (SPD). Die Trennung zwischen Arbeits- und Wohnort werde subventioniert. Außerdem sei es nicht akzeptabel, dass der Bund die drohenden Steuerausfälle in Ländern und Gemeinden nicht ausgleichen wolle.

Hamburgs Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) und Kollege Diepgen teilen - fast wortgleich - diese Meinung. Die Bevorzugung der Häuschenbesitzer im Umland, die dort ihre Steuern zahlen und in die Städte nur zur Arbeit fahren, sieht man in Berlin, Hamburg und Bremen nicht gern. Über 37 000 Menschen wanderten 1999 aus der Hauptstadt in das brandenburgische Umland ab. Im Jahr zuvor waren es sogar 40 000. Weniger als 85 Prozent der Arbeitnehmer, die in Berlin arbeiten, wohnen noch in der Stadt. Rund 165 000 Berufspendler fuhren im vergangenen Jahr täglich zur Arbeit nach Berlin. Die Tendenz ist steigend. Hamburg - einwohnermäßig halb so groß wie Berlin - hat bereits über 300 000 Einpendler.

Das besondere Interesse der Stadtstaaten ist somit klar: Sie wollen diese Fernpendler nicht noch belohnen. "Aber wegen der Entfernungspauschale zieht doch keiner aus Berlin raus", hält der SPD-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Klaus Wowereit, gegen. Die neue Regelung werde sehr wohl die Bürger entlasten, die in der Stadt wohnen. Der Grünen-Verkehrsexperte Michael Cramer kann sich ebenfalls nicht vorstellen, "dass zehn Pfennig mehr pro Kilometer die Zersiedelung des Umlands fördern". Auch der PDS-Fraktionsvorsitzende Harald Wolf sieht Diepgens Hinweis auf die Stadtflucht als "Vorwand für landespolitische Muskelspiele gegenüber dem Bund".

Leider gibt es keine Statistiken über den Weg, den die Berliner täglich zwischen Wohnung und Arbeitsplatz zurücklegen. Die 30 Millionen Mark Steuerausfälle, mit denen die Berliner Finanzverwaltung 2001 rechnet, weisen zwar auf eine Steuererleichterung pro Nase und Jahr von 50 Mark hin, aber wer profitiert in Berlin am meisten von der Entfernungspauschale? Die Besserverdienenden in jedem Fall, gibt Cramer dem Regierenden Bürgermeister Recht. Und jene 53 000 Berliner, die zur Arbeit nach Brandenburg fahren und dabei weite Wege haben. Auch innerhalb Berlins kann, wer will, in ost-westlicher Richtung 45 Kilometer und nord-südlich 38 Kilometer zurücklegen. So kommen in Zukunft auch die Benutzer der öffentlichen Nahverkehrsmittel besser weg, die mit ihrer Kilometerpauschale über den Kosten der BVG-Umweltkarte liegen. Mit seiner Ablehnung stoße Diepgen also jene Arbeitnehmer vor den Kopf, die auf das Autofahren verzichten, kritisiert Cramer. Der übrigens auch zu den Profiteuren der Entfernungspauschale gehört: Täglich strampelt er von Halensee bis zum Abgeordnetenhaus in Mitte. Elf Kilometer. Mit dem Fahrrad.

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