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Berlin: Er wollte nur bestraft werden

Wenn ein diebischer Kunde auf frischer Tat ertappt wird, dann hören Kaufhausdetektive oft die abenteuerlichsten Ausreden oder werden derb beschimpft. Mit Horst I.

Wenn ein diebischer Kunde auf frischer Tat ertappt wird, dann hören Kaufhausdetektive oft die abenteuerlichsten Ausreden oder werden derb beschimpft. Mit Horst I. war das immer anders. "Er klaute mit Bedacht, dann bedankte er sich, dass er gefasst wurde", erinnerte sich gestern ein Detektiv vor dem Amtsgericht Tiergarten. Dort musste sich die Justiz wieder einmal mit dem wundersamen Langfinger befassen. Am Ende ging es doch anders aus, als vom Angeklagten bei seinen Taten erhofft.

Seine krummen Touren haben den 48-jährigen Horst I. bereits ins Gefängnis gebracht. Für ein halbes Jahr, weil er das Stehlen nicht lassen konnte. Diesmal waren es drei Ladendiebstähle, für die sich der hagere Mitarbeiter einer Spedition verantworten musste. Taten, die den stets geschnappten I. jedesmal sehr erfreuten. "Wenn ich angesprochen wurde und mit ins Büro kommen sollte, fühlte ich mich befreit", gestand er.

Genau beschrieb er, wie er durch ein Kaufhaus in Reinickendorf schlich. "Der Detektiv kannte mich von früher und beobachtete mich", sagte der Angeklagte. In einer Abteilung habe er einen Salzstreuer eingesteckt. Doch sein Gegenspieler reagierte nicht. "Ich war sauer, dass er mir nicht gleich folgte." Auch ein diebischer Griff in der Kosmetikabteilung zeigte noch keine Wirkung. "Da fiel mir die Elektronikabteilung ein, ich steckte zwei DVD ein, dann kam er endlich."

Auch in einem anderen Geschäft war der Angeklagte beim Anblick der silbernen Scheiben "schwach" geworden und hatte sich eine in den Hosenbund gesteckt. Bei dieser Tat stellte er sich direkt vor eine Überwachungskamera. Als er beim Filialleiter im Büro saß, bedankte er sich wieder.

Horst I. hat sich seine Beute immer gern abnehmen lassen. Er klaut seit sieben Jahren, nach einem Todesfall in seiner Familie, um bestraft zu werden. Ein Gutachter diagnostizierte bei ihm eine schwere Persönlichkeitsstörung. Auch Staatsanwalt und Richter kamen zu dem Schluss, dass er nur lange Finger machte, wenn er sicher war, dass man ihn erwischen würde. Eine "Zueignungsabsicht" habe nicht bestanden. Über den Freispruch freute sich der Angeklagte nicht.

Kerstin Gehrke

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