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Um 1900 entstanden in Österreich diese Meerschaumpfeifen mit Bernsteinmundstücken und eine Zigarettenspitze.

© Auktionshaus Historia

Erotik-Auktion: Kommen wir zu einer Orgiendarstellung

Im Auktionshaus Historia in Tempelhof wurden am Samstag über 500 Exponate aus dem Sexmuseum von Beate Uhse versteigert.

Das erste Stück ist ein „Quickie“, wie es der Auktionsleiter Michael Lehrberger ausdrückt. Die Mappe mit erotischen Radierungen aus dem frühen 20. Jahrhundert geht nach wenigen Sekunden für 1600 Euro an einen Käufer aus Italien. Der Saal des Auktionshauses Historia in Tempelhof ist gut gefüllt an diesem Samstagmorgen. „Wir sollten öfters Erotik-Versteigerungen machen“, scherzt Lehrberger. Über 500 Exponate aus dem Erotikmuseum von Beate Uhse werden hier zum Verkauf angeboten.

Die Unternehmerin, die ab den 1960er Jahren mit ihrem Erotikversand und später mit den ersten Sex-Shops auf der ganzen Welt bekannt wurde, stellte seit 1996 in einem Museum unweit des Bahnhofs Zoo erotische Kunst und Kuriositäten aus aller Welt aus: Zeichnungen, Phallus-Symbole, Porzellanfiguren, alte Spitzenwäsche, Keuschheitsgürtel. Auch Möbel waren darunter: drei mit rotem Samt bezogene Erotikstühle, angelehnt an das erotische Kabinett der russischen Zarin Katharina die Große oder ein Plattenspieler, der mit nackten Frauen verziert war. Es war eine Reise durch die erotischen Fantasien vergangener Jahrhunderte und fremder Kulturen. 2014 musste das Museum schließen, wenige Jahre bevor der gesamte Konzern Insolvenz anmeldete.

Der frivol verzierte Holzstuhl mit Samtbezug ähnelt angeblich Möbeln aus dem verschollenen Erotikzimmer von Zarin Katharina II.
Der frivol verzierte Holzstuhl mit Samtbezug ähnelt angeblich Möbeln aus dem verschollenen Erotikzimmer von Zarin Katharina II.

© Auktionshaus Historia

Jahrzehntelang stand Beate Uhse für körperliche Befreiung und erotische Abenteuer. Auch in Zeiten, in denen sexuelle Reize allgegenwärtig sind, lockt ihr Name, der Hauch des Anrüchigen, der damit verbunden ist, die Leute. Bei der Auktion am Vortag seien es nur 12 Bieter gewesen, erzählt ein Besucher, der mit seiner Frau gekommen ist. Das Publikum ist bunt gemischt. Einige Anzugträger sitzen in den Reihen, junge Leute, die in der Zeitung davon gelesen haben, einige Paare. Dahinter ein Mann mit Indiana-Jones-Hut und speckiger Lederweste. Ein paar Voyeuristen seien sicher auch dabei, meint ein Besucher. Die meisten aber seien einfach Kunstinteressierte, so wie er selbst. Seit über 40 Jahren sammelt er erotische Kunst, vor allem aus dem ostasiatischen Raum. Ein anderer hat ein Auge auf eine Seychellen-Nuss geworfen: Eine Nuss, die von der Natur in Form eines weiblichen Hinterteils geformt wurde.

Die Flasche Champagner gibt's obendrauf

Neben Privatsammlern sind auch einige professionelle Händler da. Das halte sich ungefähr die Waage, sagt Christina Schulze, eine der Mitorganisatorinnen der Auktion. Dazu kommen mehr als 2000 Interessenten, die über das Internet mitbieten. Die Stimmung im Saal ist ruhig, denn die meisten Käufe laufen online ab. Viele Besucher bedauern das. „Dadurch ist ein großes Stück der Auktionskultur kaputt gegangen“, sagt ein Gast. Doch immer wieder kommt es auch vor Ort zu kleinen Bieterwettkämpfen. „Amerika gegen die erste Reihe“, verkündet Auktionator Lehrberger, als zwei Interessenten um „Rotkäppchen und der Wolf“, eine pornopraphische Darstellung des bekannten Märchens, kämpfen.

Als das erste Gemälde die 10 000- Euro-Marke knackt, gibt er eine Flasche Champagner dazu. Lehrberger weiß, wie man das Publikum unterhält. Er spielt mit den Bietern, zögert an den richtigen Stellen, verharrt mit dem Hammer in der Luft. Und immer wieder Witze: „Jetzt kommen wir zu einer Orgiendarstellung – da können Sie noch was lernen, meine Damen und Herren.“ Je besser die Stimmung, desto besser die Preise.

Er sei ein Ausnahmetalent, sagt Schulze. Es ist sein fünfter Auktionstag in Folge. Nur die leicht heisere Stimme deutet darauf hin. Auch wenn alle mit regem Interesse gerechnet haben, die Preise sind deutlich höher, als es viele hier erwartet haben. Auch Schulze vom Auktionshaus Historia ist von den erzielten Verkaufspreisen positiv überrascht. Topseller sind unter anderem die Werke von Georg Grosz und zwei Werke des Berliner Künstlers Heinrich Zille. Seine „Hurengespräche“, eine Serie von Lithographien, gehen für 10 000 Euro weg. Das Besondere: Als sie 1921 erschienen sind, waren die Abbildungen verboten, weshalb sie meist unter Pseudonym verbreitet wurden. Diese hier aber sind mit seinem echten Namen handsigniert.

Nach einer Stunde sind rund fünf Prozent der angebotenen Exponate versteigert worden, kaum 30 Posten. Normalerweise sind es bis zu 100 Positionen pro Stunde, sagt Schulze. Da es so viele Gebote gibt, geht es hier wesentlich langsamer. Aber natürlich liegt es auch im Interesse des Auktionshauses, die Verkäufe in die Länge zu ziehen. Denn es bekommt 27 Prozent Aufschlag auf die erzielten Preise.

Nach zweieinhalb Stunden sind die eingangs erwähnten samtbezogenen Liebesstühle an der Reihe. Alle drei gehen für je 5000 Euro das Stück nach Holland. Danach gibt es zehn Minuten Pause. Kurz die Stimme auffrischen. Für die Besucher gibt es Kaffee und belegte Brötchen. Dann geht es weiter. Wahrscheinlich werde das bis 21 Uhr abends dauern, schätzt Schulze. „Wir ziehen das durch bis zum Ende.“ Bis auch das letzte Stück verkauft ist. Verena Meyer

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