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Erste Hilfe: Fünf Stunden Wartezeit in der Rettungsstelle

Wenn Kinder erkranken, dann suchen viele Eltern erste Hilfe im Krankenhaus. Die Kliniken sind dem Ansturm kaum gewachsen. Am Osterwochenende muss mit bis zu fünf Stunden Wartezeit gerechnet werden.

Schnupfen, Husten, Fieber oder Bauchschmerzen: Wenn Kinder erkranken, sind Eltern beunruhigt und können oft den Ernst der Lage nicht einschätzen. Sie suchen Hilfe in einer der zehn Berliner Kinderrettungsstellen. Am Osterwochenende rechnen die Kliniken wieder mit einem riesigen Andrang und Wartezeiten von bis zu fünf Stunden. Doch eine Besserung der Lage ist nicht in Sicht. Die Kliniken fordern deshalb von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) mehr Unterstützung. Die KV aber lehnt den Einsatz weiterer Kassenärzte in Kliniken ab. Doch nicht nur das: Sie hat zwei eigene Rettungsstellen aus Kostengründen geschlossen. „Die KV kommt ihrem Versorgungsauftrag nicht nach“, sagt Rainer Rossi, Vorsitzender der Berliner Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin.

Pro Jahr werden 160 000 bis 170 000 junge Patienten in den Berliner Kinderrettungsstellen behandelt. Rund 20 000 Kinder stellen sich zum Beispiel im Vivantes-Klinikum Neukölln vor. Mit steigender Tendenz: „Es kommen an den Wochenenden immer mehr Eltern mit den Kindern. Zu 80 Prozent haben wir es aber mit Fällen zu tun, die ein niedergelassener Kinderarzt versorgen kann“, sagt Rossi, zugleich Chefarzt der Kinder- und Jugendmedizin im Neuköllner Klinikum. „Das aber ist KV-Aufgabe. Doch das interessiert sie nicht.“

Es gibt in Berlin nur vier Kliniken, mit denen die Vereinigung Verträge hat und in denen KV-Ärzte zur Unterstützung eingesetzt werden: Das sind die DRK-Klinken Westend und Mitte in der Drontheimer Straße, das Sana-Klinikum Lichtenberg und das St.-Joseph-Krankenhaus in Tempelhof. Nur: Die Öffnungszeiten dieser Erste-Hilfe-Stellen sind begrenzt auf Mittwoch und Freitag von 15 bis 22 Uhr und am Wochenende von 9 bis 22 Uhr. Auch diese Kliniken klagen über den Patientenansturm. „Wir hatten vergangenes Wochenende Wartezeiten bis zu sechs Stunden“, sagt Beatrix Schmidt, Chefärztin der Kinderklinik im St.-Joseph-Krankenhaus. Die KV-Ärzte, die zusätzlich eingesetzt werden, seien zwar eine Entlastung, würden jedoch nicht ausreichen. Beatrix Schmidt fordert wie andere Klinikärzte, dass die KV weitere Kassenärzte in allen zehn Kinderrettungsstellen einsetzt und diese finanziert. Das lehnt die Vereinigung ab. Die Versorgung kranker Kinder sei „ausreichend gesichert“, sagt Uwe Kraffel, stellvertretender KV-Vorsitzender. Im Übrigen sei „keine Klinik verpflichtet, Kinderrettungsstellen zu betreiben“. Kraffel verweist auch auf den mobilen Bereitschaftsdienst der KV. Dass der nicht immer mit ausgebildeten Kinderärzten besetzt ist, sei „kein Problem, da alle Ärzte Zusatzausbildungen haben“.

Das hört sich für Klinikärzte wie Hohn an. Sogar KV-Ärzte würden Kinder in die Rettungsstellen schicken, sagt Heiko Krude, kommissarischer Leiter der Klinik für Allgemeine Pädiatrie am Charité- Standort Virchow. 30 000 Kinder würden dort jährlich behandelt. „Wir lehnen keinen Patienten ab“, sagt Krude.

Nicht auszudenken, wie sonst besorgte Eltern reagieren würden, befürchten alle Kinderärzte. Deshalb sortiert das Fachpersonal in den Kliniken schon bei der Anmeldung die schwer kranken von den weniger kranken Kindern aus.

Der Engpass in den Kinderrettungsstellen ist auch Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) bekannt. Sie nehme die Situation „sehr ernst“, wie einem Schreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt, zu entnehmen ist. Doch auch sie habe nicht die Befugnis, schreibt sie weiter, in Belange der KV einzugreifen.

 Sabine Beikler

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