zum Hauptinhalt

Berlin: Erster Erfolg für Anwohner des Spreeufers

Unterschriftensammlung gegen die Baupläne brachte 16.000 Stimmen – genug für einen Bürgerentscheid.

Die vermeintliche Rettung des Spreeufers würde nicht leicht werden. Das wusste auch Carsten Joost. Der 42-jährige Architekt hat die Initiative „Mediaspree versenken“ begründet. Diese spricht sich gegen die Pläne von etwa 20 Investoren aus, die sich im Verein „Mediaspree“ zusammengetan haben. Sie wollen die Ufer der Spree in Friedrichshain-Kreuzberg und in einem Teil von Mitte vornehmlich mit Bürogebäuden bebauen. Auch die O2-Arena und das Verdi-Gebäude an der Jannowitzbrücke gehören dazu. Seit September 2007 sammelte Joost mit etwa 20 Mitstreitern Unterschriften für einen Bürgerentscheid gegen die Planungen – erfolgreich, wie sich jetzt zeigt. Etwa 16 000 Unterschriften kamen zusammen, Wirtschaftsstadtrat Peter Beckers (SPD) bestätigte gegenüber der Initiative, dass die nötigen 5500 gültigen erreicht seien.

Die Initiative will unter anderem, dass eine Gebäudehöhe von 22 Metern eingehalten wird und Neubauten 50 Meter Abstand zum Ufer halten. Die Bürger kämen Jahre zu spät, sagen Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Bündnisgrüne) und andere Politiker. „Das liegt in der Struktur von Bebauungsplanverfahren. Da kommt man immer zu spät“, entgegnet Joost. 13 Bebauungspläne zwischen Elsen- und Jannowitzbrücke seien rechtskräftig. Der Bezirk habe zu wirtschaftsfreundlich gehandelt und unzureichend informiert.

Der Bürgerentscheid muss in spätestens vier Monaten erfolgen, gegen die Investorenpläne müssen sich 20 000 Friedrichhain-Kreuzberger aussprechen. Die Initiative zog das für den 1. April festgelegte Abgabedatum auf Anfang März vor, um laufende Bauanträge im Osthafen aufzuschieben. Laut Schulz ist ein Aufschub rechtlich aber nicht möglich. Was der Entscheid darüber hinaus verändern kann, ist ebenso offen: Juristisch ist seine Verbindlichkeit in Berlin nicht geklärt. „Aber wir werfen ein Pfund in die Waagschale“, glaubt Joost.

Sollte sich die Initiative durchsetzen, rechnet der Bezirk mit Schadenersatzforderungen der Investoren von 165 Millionen Euro. Laut Initiative würden es nur 51 Millionen. „Hier bin ich in meinem Metier“, erklärt Joost sein selbstbewusstes Auftreten. Allerdings scheint er auch eine Vorliebe für hoffnungslose Unterfangen zu haben. So kämpfte er schon für die Erhaltung des Palastes der Republik.

In der Öffentlichkeit tritt die Initiative mit spektakulären Aktionen auf. So reichte sie bei einer Informationsveranstaltung zur O2-Arena einen „Sprengantrag“ für das riesige Werbeschild am Bootsanleger ein. Von Anwohnern wurde ihnen „militantes Auftreten“ vorgeworfen. Doch das sei nur Ironie gewesen, sagt Joost. Die Initiative entstand 2006 nach einer Veranstaltung im Künstlerhaus Bethanien. Sich selbst bezeichnet Joost als „einfach kritisch“. Als Architekt nimmt er zwar auch an Wettbewerben teil. Doch er finanziert sich durch Hartz IV. „Durch die Leistungen vom Staat fühle ich mich zu meinem Engagement beauftragt.“ Wenn er von seiner Wohnung in Friedrichshain durch den Kiez gehe, bemerke er, dass dieser durch die Veränderungen abhanden komme. „Die Verzweiflung der Menschen spürt man auch am Alkoholismus.“ Mit der Initiative trage er zu einer besseren Stimmung bei. Auch die Übergabe der Unterschriften ans Bezirksamt vor zwei Wochen gestaltete er mit der ihm eigenen Ironie. Sie wurde als Spreeufer-Nothilfe inszeniert, dem Bezirksamt verabreicht von einem Ärzteteam.

Matthias Jekosch

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false