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Berlin: Es braut sich was zusammen

Radeberger übernimmt Schultheiss und Berliner Pilsner – jetzt droht die Schließung einer Brauerei, warnt die Gewerkschaft

„Pils passt gut zu Pudding und Pasta“, sagte der launig gestimmte Radeberger- Chef Ulrich Kallmeyer im Februar, als er die Übernahme des Konkurrenten Brau und Brunnen durch die zum Lebensmittelkonzern Oetker gehörende Radeberger-Gruppe verkündete. Das Versprechen damals: Neben der Pilsmarke Kindl (Radeberger) sollen auch die Traditionsbiere Berliner Pilsner und Schultheiss (Brau und Brunnen) weiter produziert werden. Was Kallmeyer nicht sagte: Von den zwei Braustätten in Hohenschönhausen, in der Berliner Pilsner und Schultheiss abgefüllt werden, und der Kindl- Brauerei in Neukölln wird nur eine übrig bleiben. „Es wird wohl eine Konzentration auf einen Standort geben“, sagte Franz-Josef Möllenberg, Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG), dem Tagesspiegel.

Mit der Aufgabe einer weiteren Bierproduktion setzt sich das Brauereisterben in Berlin fort, dem seit der Wiedervereinigung zahlreiche Standorte und fast die Hälfte der in der Branche Beschäftigten zum Opfer gefallen sind. „Ich spreche regelmäßig mit den Betriebsräten der einzelnen Brauereien, die derzeit in Arbeitsgruppen mit dem Management Pläne entwickeln, wie die beiden Braugruppen zusammengeschmiedet werden können“, sagt Möllenberg. Nach der Fusion von Radeberger mit Brau und Brunnen werde nach seiner Einschätzung in dem neuen Unternehmen „nichts bleiben, wie es ist“.

„Radeberger will mit der Reduzierung von Standorten die Kosten senken, weil bei beiden Bierproduzenten Kapazitäten brachliegen“, sagt Möllenberg. Bei Kindl lag die Produktionsauslastung im Jahr 2001 – der letzten verfügbaren Zahl – bei nur 56 Prozent. Die Folge war seinerzeit die Schließung der Potsdamer Brauerei und die Verlagerung der Produktion von „Rex Pils“ und dem Schwarzbier „Märkischer Landmann“ nach Neukölln.

Welcher der beiden Radeberger-Standorte aufgegeben und welche Folgen das für die Beschäftigten haben wird, steht laut Möllenberg noch nicht fest. Kindl hat 280 Mitarbeiter, bei Brau und Brunnen sind es rund 450. „Wir wollen jeden Arbeitsplatz retten. Darüber sprechen wir derzeit mit dem Management“, sagt Möllenberg. Sollten die Gespräche nicht erfolgreich sein, „müssen wir sehen, wie wir unsere Interessen anders wahren können“, warnt der NGG-Chef und spielt damit auf eine Mobilisierung der Arbeiter in den Betrieben an. Radeberger selbst wollte sich zu dem Thema nicht äußern. Mehrere Interview-Anfragen des Tagesspiegel blieben ohne Erfolg. Nur so viel war zu erfahren: Radeberger-Chef Kallmeyer wird am Dienstag zu der Fusion in Dortmund äußern, wo ebenfalls Standorte gefährdet sind.

Nach Ansicht von Branchenexperten führt an einer Zusammenlegung der Brauereien in Berlin kaum ein Weg vorbei. „Aus kaufmännischer Sicht ist das eine Notwendigkeit“, sagt Rudolf Böhlke, Biermarktexperte der Unternehmensberatung Ernst & Young. Seit Jahren trinken die Deutschen weniger Bier, weil andere Getränke wie Wein oder Mixgetränke immer beliebter werden. Diese Entwicklung ist an Berlin und Brandenburg nicht vorbeigegangen. Seit 1994 sank der Bierabsatz hier von 4,8 Millionen Hektoliter auf nur noch 3,3 Millionen Hektoliter im Jahr 2003. Die Zahl der in der Branche Beschäftigten halbierte sich auf 1200.

„Seit der Wende mussten viele Brauereien dichtmachen, weil sie nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben waren“, sagt Michael Scherer, Geschäftsführer des Brauereiverbandes Berlin/Brandenburg. Schließen mussten in den 90er Jahren die Bärenquell Brauerei in Niederschöneweide, die Schultheiss-Brauereien in Spandau und Kreuzberg sowie die Engelhardt Brauerei in Charlottenburg. Gleichzeitig drängen auswärtige Biermarken auf den Berliner Markt, deren Anteil inzwischen bei weit über 50 Prozent liegt. „Der Berliner Markt ist hart umkämpft, weil jede ambitionierte Marke in der Hauptstadt vertreten sein will“, sagt Scherer. „Neben Premiummarken wie Veltins oder Becks kommen zunehmend Billigbiere aus Polen und Tschechien dazu.“

Dennoch, Marktführer ist Berliner Pilsner mit einem Anteil von 14 Prozent, es folgen Kindl und Schultheiss. „Berliner Pilsner ist im Ostteil Berlins besonders stark. Wir entwickeln das Bier aber zu einer Topmarke für die gesamte Stadt“, sagt Udo Dewies, Sprecher von Brau und Brunnen. Berliner Pilsner werde inzwischen sogar in Fünf-Sterne-Hotels wie dem „Schweizer Hof“ oder dem Ritz Carlton ausgeschenkt.

Die Marke Schultheiss, traditionell in den aussterbenden Eckkneipen im Westen der Stadt zu Hause, wird dagegen nicht mehr aktiv beworben. Zu einer Aufgabe von Biermarken wird es nach Ansicht von Branchenkennern trotz der Fusion nicht kommen. „Dafür sind die einzelnen Marken zu stark“, sagt Ernst & Young-Berater Böhlke. Technisch sei es kein Problem, die verschiedenen Biere in einer Brauerei abzufüllen.

Maurice Shahd

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