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Espiner

© Thilo Rückeis

Espiners Berlin: Hakenkreuz-Lifting

Vergangene Woche ging es hier nur um Mode. Aber während all dem Spaß und der Ausgelassenheit der Fashion Week fühlte unser Kolumnist Mark Espiner doch ein Gespenst umgehen in Berlin – das Gespenst des Faschismus.

Und das war nicht nur so wegen der Tempelhof-Frage, von der wir, wie ich denke, nun behaupten können, dass wir sie zusammen gelöst haben. Vielen Dank an all diejenigen, die mir ihre Gedanken mitgeteilt haben, und speziell Christian Z., dessen epische Email schon fast als soziale Studie veröffentlicht werden könnte.

Nur ein paar Tage zuvor sah ich im Aufzug unseres Wohnblocks etwas zutiefst Unmodisches in den Spiegel geritzt. Ein Hakenkreuz.

Ich sage zutiefst unmodisch, auch wenn ein paar Leute in der Vergangenheit versucht haben, es zu einem ikonischen Stilelement zu verändern. Sid Vicious, zum Beispiel. Nun, eigentlich war es Malcolm McLaren und Vivien Westwood, die Großeltern des Punk und in Westwoods Fall eine spätere Haute Couturistin, die Nazi Symbole auf ihre Kleidung nähten und verantwortlich waren für Sids Garderobe. Schon vor den Punks hatte ein Rolling Stone versucht, den SS „Stil“ zu verwenden als eine Schock‘n‘Roll Taktik. Prince Harry dagegen war nur ein Possenreißer.

Mein erster Gedanke war also, wer auch immer das tat, war wahrscheinlich jemand, der schlicht und einfach schocken wollte. Ein desillusionierter Jugendlicher, der beleidigt, nur aus reinem Spaß daran und nicht wegen der Politik.

Aber ich musste mich auch daran erinnern, dass ein weiteres Hakenkreuz an eine Mauer des Volkspark Friedrichshain gesprüht war, als ich zum ersten Mal dort war. Während bei den alten, fragwürdigen Gebäuden der Vergangenheit alle Symbole entfernt wurden (ich denke nicht, dass es hier in Berlin noch welche gibt?), war das hier doch ein Versuch, es zurückzubringen, egal wie plump dieser auch war. 

Also, dachte ich, mache meine eigene inoffizielle Umfrage. Jedes Mal, wenn ich in den Lift einstieg, zeigte ich darauf und sagte: "Schrecklich, nicht wahr?" Der erste Kandidat, mein vietnamesischer Nachbar, lachte nur. Ich fand das fast erlösend, dass jemand, der einer ethnischen Minderheit angehört, dies als lächerlich und nicht beachtenswert betrachtete. Mehrere andere Leute schauten allerdings ziemlich entsetzt. Ich war schockiert, dass sie so schockiert waren, bis ich bemerkte, dass deren Sprachlosigkeit eine Reaktion auf mein

fremdartig klingendes Deutsch waren. Eine Dame jedoch, in ihren Sechzigern und eine Mieterin im Wohnblock seit dessen Erbauung im Jahr 1967, versicherte mir, dass es kein Anwohner war. Es war wahrscheinlich jemand, der von außen hereingekommen sei, aber keiner, der in diesem Block wohnte, würde jemals so etwas machen. Ich überlegte, ob das nicht ein Hauch vergangener DDR-Sicherheit war, dass niemand in diesem sozialistischen Betonbau jemals eine faschistische Ansichtsweise in Erwägung ziehen würde.

Ich hatte nicht genug Zeit während der kurzen Fahrt im Aufzug, ebenfalls darauf hinzuweisen, dass dort auch ziemlich widerliche Rassenhass-Flugzettel herumlagen, die eine Organisation namens PI News verbreitete. Ich werde diese nicht mit einem Weblink würdigen, aber Sie können hier auf Wikipedia darüber lesen.

Trotz der Zusicherungen der älteren Dame fühlte ich mich doch besorgt. Also rief ich die zuständige Hausverwalterin an und hinterließ eine Nachricht: da ist ein Hakenkreuz in den Spiegel geritzt, was werden Sie nun tun? Gleich am Montag Morgen bekam ich die Antwort, dass sie sich sofort darum kümmern werde.

Ich erwartete, dass der Spiegel ersetzt werden würde. Aber ich sah, dass eine andere Lösung gefunden wurde – eine sehr Berlin-typische, wie ich fand. Und ich bin mir immer noch nicht sicher, ob es nicht sogar die Hausverwalterin selbst war. Jemand fügte einfach ein paar Linien hinzu, verwandelte es zu dieser Form und verunstaltete somit die Verunstaltung. Ganz einfach. Problem gelöst. 

Bitte entschuldigen Sie, dass ich die Nazivergangenheit schon wieder erwähne, doch wenn ich so darüber nachdenke, ist es eigentlich nicht die Vergangenheit.

Lassen Sie mich das Thema wechseln.

Dieses Wochenende ist die Lange Nacht der Museen. Und ich kann nicht der einzige gewesen sein, dessen Aufmerksamkeit auf das Poster fiel.

Der kesse Hintern der Statue, der dafür verwendet wurde, die Veranstaltung zu bewerben, war offensichtlich vom gemeinsamen Marketinggremium der Museen als beste Strategie ausgewählt worden, um die Massen anzulocken. In weniger als zwei Minuten auf dem U-Bahnsteig sah ich mindestens vier Leute, die anhielten und die Backen bewunderten.

Ich fand es schon etwas verdächtig, dass die Deutschen vieles mit „arsch-“ betonen. Aber jetzt bin ich davon überzeugt, dass Sie tatsächlich vom Hinterteil besessen sind. Dies ist der Beweis. Es ist nicht nur die Clubkultur, Komödie oder der Straßenslang, sogar die höchsten Kulturinstitutionen des Landes machen Gebrauch davon. (Und mit dem im Hinterkopf, können Sie dieses Wochenende beruhigt sagen dass es „arschcoole“ Kultur geben wird).

Zum Schluss – ich hätte nie gedacht, dass meine paar Worte Berlin verändern könnten. Aber diese Woche musste ich mich doch wundern. Nachdem ich mich über die Ticket kontrollierende Undercover-Stasi in normaler Kleidung beschwerte, habe ich nun gelesen, dass sie wieder in Uniformen gesteckt werden sollen. Ergebnis erzielt!

Sie können Mark Espiner emailen unter mark@espiner.com oder ihm auf Twitter folgen @DeutschMarkUK.

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