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Berlin: Ex-Justizsenator Baumann ist tot

Liberaler Strafrechtler musste 1978 zurücktreten

Es sollte ein kurzer Ausflug in die Politik werden. Jürgen Baumann, der 1976 für die FDP das Amt des Justizsenators übernahm, erklärte kaum zwei Jahre später seinen Rücktritt. Es war eine der kürzesten Amtszeiten eines Senatsmitglieds. Baumann, der renommierte Straf und Prozessrechtler, ging als Professor nach Tübingen zurück. Dort ist er jetzt im Alter von 81 Jahren gestorben.

Baumann übernahm damals die politische Verantwortung für die gewaltsame Befreiung des Rote-Armee-Fraktion-Terroristen Till Meyer aus der Untersuchungshaftanstalt Moabit. Der Regierende Bürgermeister Dietrich Stobbe (SPD) nahm den Rücktritt sofort an. Zwei Frauen hatten sich mit falschen Ausweisen als Anwältinnen Zutritt verschafft, durch eine Tür geschossen, einen Justizbeamten als Geisel genommen und die Öffnung des Hauptportals erzwungen. Baumann betonte damals, er sei zwar für Sicherung, aber „gegen Übersicherung“, er wolle kein zweites Stammheim. Der Rechtstaat dürfe nicht den Eindruck einer Festung erwecken. Baumanns politisches Schicksal ähnelte dem seines Amtsvorgängers Herrmann Oxfort (FDP), der wegen des Ausbruchs der vier Terroristinnen Inge Viett, Monika Berberich, Juliane Plambeck und Gabriele Rollnik aus der Frauenhaftanstalt Lehrter Straße zurückgetreten war.

Das politische Klima von damals war für Baumann nicht geschaffen. Er sei den „Stempel des Nicht-Berliners“ nie los geworden, kommentierte er bitter seine Berliner Zeit. Der gebürtige Essener hatte seit 1959 bis zu seiner Emeritierung 1988 in Tübingen gelehrt. In den sechziger und siebziger Jahren galt er dort als „liberales Aushängeschild“. Er setzte sich für eine Liberalisierung des Strafrechts ein, sein Name ist auch mit der Reform des Abtreibungsparagrafen 218 verbunden.C.v.L.

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