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Berlin: Expo-Projekte in Berlin: Die Augen steuern den Reality-Computer

Top oder Flop - bei der Expo in Hannover scheiden sich die Geister. Doch man muss nicht bis nach Hannover fahren.

Top oder Flop - bei der Expo in Hannover scheiden sich die Geister. Doch man muss nicht bis nach Hannover fahren. In der ganzen Welt wurden 500 Projekte, Initiativen und Unternehmen zu einem internationalen Expo-Projekt erklärt - davon liegen 19 in Brandenburg und 27 in Berlin. An der Spitze des Besucherinteresses liegen die Projekte Infobox mit bis zu 5000 Besuchern am Tag und das Schöneberger Südgelände mit 1500 Interessenten am Wochenende. Wir haben aus der langen Liste einige Projekte herausgesucht, die besonders spannend, skurril oder zukunftsweisend sind. In der letzten Folge beschäftigen wir uns mit einem Projekt, dass die Zukunft mit High-Tech-Hilfe menschlicher machen will.

In den vierziger Jahren hat sich niemand vorstellen können, dass der Fernseher einmal den Lebensrhythmus der meisten Menschen bestimmt. Kaum vorhersehbar war bis vor einigen Jahren auch, dass die Schallplatte angesichts der CD das Zeitliche segnen würde. Bald werden Videofilme von DVD-Technik abgelöst. Und schon in wenigen Jahren zeigen wohl die meisten Computerbildschirme räumliche 3D-Perspektiven. Statt mit der Maus zu klicken, werden wir dem Computer zurufen, was er tun soll. Und wenn man Bild oder Text senden will, schiebt man einfach die Hand in Richtung Bildschirm - und schon ist alles weggeschickt.

Zukunftsmusik? Nein, Realität, und zwar im Heinrich-Hertz-Institut für Nachrichtentechnik in Charlottenburg. Dass die Wissenschaftler im achten Stock des denkmalgeschützten 70er-Jahre-Baus ihre Neuerungen in einem lichtdurchfluteten Raum präsentieren können, hat erst eine Bauausnahmegenehmigung im Zuge der Expo-Anerkennung möglich gemacht. Die Umbauten inklusive Asbestsanierung in Höhe von 700 000 Mark werden sich wohl auszahlen, denn nicht nur viele Privatbesucher, sondern auch Firmenvertreter und Geschäftspartner aus aller Welt melden sich bei Diplom-Ingenieur Klaus Schenke und Geschäftsführungsreferent Wolf von Reden und ihrem Team.

Die Vorteile der so genannten blickgesteuerten 3D Multimediastations erschließen sich auch dem Laien schnell. Nimmt man vor dem Bildschirm Platz, so stellen zunächst Kameras an den Seiten das Gerät auf den Benutzer ein - kalibrieren heißt das. Überall sieht man sich selbst, das erinnert ein wenig an Big Brother. Aber dann meint man plötzlich, auf 3 D-Bildern die reale Welt zu erkennen: In einen Innenhof fällt ein Lichtstrahl. Ein Blick über die Dächer Berlins - man meint, tatsächlich aus dem Fenster zu schauen. Auf den Luftaufnahmen aus der Discovery auf die Hawaii-Insel Oahu wachsen die Vulkangebirge in die Höhe, und nach Molekülengebilden will man gleich greifen. Und das ohne Extra-Brille.

Doch das ist nicht alles. Statt immer kompliziertere Programme mit immer weniger verständlichen Anwendungen zu entwickeln, bemüht sich das Heinrich-Hertz-Institut, den Computer dem Menschen anzupassen. Weil Kameras die Bewegungen der Augen verfolgen, kann man Oberflächenfelder durch Blicke steuern. Ins Mikro sagt man einfach "Start", statt mit der Maus auf der Tischplatte herumzufahren. Entwicklungen, die auch Körperbehinderten helfen werden.

Das Ganze wird zudem noch erschwinglich sein. Derzeit kosten die Bildschirme nur rund doppelt so viel wie herkömmliche. Die komplette Anlage im Expo-Raum hat aber einen Wert von über einer Million Mark. Das Bundesforschungsministerium finanziert das Computerprojekt, an dem sieben Wissenschaftler und zehn Studenten arbeiten, mit 4,5 Millionen Mark über vier Jahre. Bis die Bildschirme, auf denen man sogar herkömmliche Computerspiele mit Hologramm-Effekt spielen kann, indes für jedermann erhältlich sind, werden noch einige Jahre vergehen. Das öffentlich finanzierte Institut will jetzt eine Firma ausgliedern, um das Produkt vermarkten zu können.

Ob USA oder Japan: Es gibt auch in anderen Ländern Versuche zum Computer der Zukunft. Doch nur am Einsteinufer 37 steht ein Gerät, das sämtliche Neuerungen vereint. Auch Microsoft arbeitet an einem 3 D-Betriebssystem. "In zehn Jahren ist das gang und gebe", sind die Wissenschaftler überzeugt. Pünktlich zum ersten Juni - Expo-Start - ist die 3 D-Anlage fertig geworden. Die Heinrich-Hertz-Spezialisten kooperieren bereits mit Firmen, etwa Bosch; zuerst will man dann Fachfirmen wie Architekturbüros beliefern. Aber auch in Kinderzimmern werden die Reality-Computer schon in bald genauso dazugehören wie der klassische Teddybär. Aber den kann man eben auch noch richtig knuddeln.

Annette Kögel

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