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Berlin: Fach Chinesisch

Eine Reinickendorfer Grundschule bietet die schwierige Sprache an – das interessiert sogar den Kanzler

Englisch oder Französisch in der Grundschule ist längst Pflicht, hier und da gibt da auch Lateinstunden – aber Chinesisch, das ist noch was richtig Besonderes. Nur eine einzige Schule in Berlin bietet das an, die Victor-Gollancz-Schule in Reinickendorf, und eine Schulpartnerschaft gibt es auch: mit der Zhi-Chunli-Grundschule in Peking. Ein Mal im Jahr besucht man sich gegenseitig, im Moment zum Beispiel sind 30 Pekinger Fünft- und Sechstklässler zu Gast in den Familien der Reinickendorfer Schüler. Am Montag war die deutsch-chinesische Schülerfreundschaft im Zoo-Aquarium, morgen geht es ins Kanzleramt, Gerhard Schröder höchstpersönlich hat geladen.

Eine Stunde pro Woche lernen die, die wollen, in Reinickendorf Chinesisch. Zum Beispiel Nikolaus Theissen aus der Klasse 4b. Er sagt, Chinesischlernen sei doch gar nicht so besonders. Seit der zweiten Klasse sitzt er in der Arbeitsgemeinschaft (AG), eine Stunde Zusatzunterricht in der Woche. Sein Freund wollte das damals lernen, sagt er, deshalb sei er mitgegangen.

Auch Caterina Granz, zehn Jahre alt und in der fünften Klasse, hat sich ganz allein für die ungewöhnliche AG entschieden. „In China ist alles ganz anders als bei uns“, sagt sie, das habe sie neugierig gemacht. Wie auch Paula und Sophia, die die gleichen Gründe nennen. Auch ihre Eltern hätten mit der Entscheidung nichts zu tun gehabt, darauf bestehen sie, und das, obwohl die Mädchen erst sieben Jahre alt waren, als sie sich für die Chinesisch-AG entschieden.

Die Lehrer in Reinickendorf erklären das Interesse am Chinesisch-Kurs etwa so: Man könne ja überall lesen, dass Asien immer wichtiger werde für Europa. Manche Eltern hätten die wirtschaftliche Perspektive im Kopf, wenn sie ihre Kinder in die AG schickten. Für die reicht der Nutzwert ihrer exotischen Sprachenkenntnisse allerdings in der Regel nur bis zum China-Restaurant um die Ecke. Aber immerhin. Einige können ihr Essen in chinesischer Sprache bestellen. Für längere Unterhaltungen reicht es noch nicht, auch beim gemeinsamen Besuch mit den chinesischen Kindern im Zoo-Aquarium braucht es Hände und Füße, oder der Dolmetscher hilft. Auch Briefe zu schreiben haut noch nicht hin. Bei einer Stunde Unterricht die Woche lernt man nur wenige Schriftzeichen – und etwa 5000 brauche man, um Zeitung lesen zu können, sagen Übersetzer.

Um Perfektion gehe es auch gar nicht, sagt Ernestine von Salomon, eine Mutter. „Toll, dass die Kinder eine von Grund auf andere Kultur kennen lernen.“ Eltern, Lehrer und Schulleiter sind begeistert von der Lehrerin, Wu Jiang. „Eine begnadete Lehrkraft“, schwärmt ein Schulleiter. Frau Wu Jiang sagt, sie sei eine „gelangweilte Ehefrau“ gewesen, bevor sie auf die Idee kam zu unterrichten. Die Chinesin ist verheiratet mit einem Deutschen, ihre Kinder gehen auf die Gollancz-Schule. Hobbylehrerin ist sie seit 2003 nicht mehr. Sie hat eine feste Stelle, unterrichtet auch an drei Reinickendorfer Oberschulen. Dort wird sie viele ihrer Gollancz-Schüler wiedersehen. Die 100 Reinickendorfer Neuntklässler, die heute Chinesisch belegen, sollen sogar 2009 die ersten in Berlin sein, die Abitur in diesem Fach machen können.

Marc Neller

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