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Fall Ermyas M.: Hauptbeschuldigter wieder auf freiem Fuß

Fünf Monate nach der Attacke auf den Deutsch-Äthiopier Ermyas M. wird der Hauptbeschuldigte Björn L. gegen Auflagen aus der Untersuchungshaft entlassen.

Potsdam - Die 4. Strafkammer des Landgerichts Potsdam habe entschieden, den Haftbefehl gegen den 29-Jährigen sofort außer Vollzug zu setzen, sagte sein Anwalt Matthias Schöneburg. Zugleich beschloss die Kammer nach Angaben eines Gerichtssprechers, das Hauptverfahren gegen Björn L. und den 31 Jahre alten Thomas M. zu eröffnen. Die Kammer hält beide für dringend tatverdächtig.

Die Aussetzung der Untersuchungshaft sei eine konsequente Entscheidung, sagte Schöneburg. Die Mitte August erhobene Anklage gehe "von einem deutlich abgeschwächten Vorwurf" aus. Statt versuchten Mordes werde L. nur noch gefährliche Körperverletzung und Beleidigung, dem Mitangeklagtem M. Beleidigung und unterlassene Hilfeleistung vorgeworfen. Aus diesem Grund sei die Haft "völlig unverhältnismäßig" gewesen.

Gericht erwägt erneute Zeugenvernehmung

Er rechne nicht damit, dass das Verfahren noch in diesem Jahr beginne, sagte Schöneburg. Mit der Entlassung aus der Haft bestehe kein Zeitdruck mehr, führte er zur Begründung an. Nach Angaben des Gerichtssprechers geht die Kammer im Falle einer Verurteilung von einer "Gesamtstrafe von deutlich unter vier Jahren" aus. Eine Flucht- oder Verdunkelungsgefahr werde daher für eher unwahrscheinlich gehalten. Björn L. habe die Auflage erhalten, sich zweimal pro Woche bei der Polizei zu melden.

Die 4. Strafkammer erwäge zudem eine neue Zeugenvernehmung des Opfers, sagte der Gerichtssprecher. Der Deutsch-Äthiopier hatte in einem Interview kürzlich den Eindruck erweckt, als könne er sich möglicherweise zumindest an Teile des Tatgeschehens erinnern. Ermyas M. hatte am frühen Ostersonntag in Potsdam durch einen wuchtigen Faustschlag schwerste Kopfverletzungen erlitten und wochenlang im künstlichen Koma gelegen. Im Gegensatz zur Bundesanwaltschaft geht die Staatsanwaltschaft Potsdam nicht mehr von einer rassistisch motivierten Tat aus, die Täter hätten Ermyas M. nicht aus fremdenfeindlichen Motiven angegriffen. (Von Jörg Schreiber, ddp)

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