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Berlin: Feinmechaniker im Kraftraum

Von Jörg Petrasch Ein bisschen erinnert das Ambiente an einen gemütlichen Nachmittag mit Freunden und Familie. Es gibt Würstchen und Kuchen, die meisten kennen sich und reden miteinander.

Von Jörg Petrasch

Ein bisschen erinnert das Ambiente an einen gemütlichen Nachmittag mit Freunden und Familie. Es gibt Würstchen und Kuchen, die meisten kennen sich und reden miteinander. Die Stimmung ist entspannt. „Zuschauer sind eine große Ausnahme“, sagt Fritz Neumann, Sprecher der 1. Berliner Bogenschützen. Die 70-Meter-Anlage befindet sich im Grünen, nahe dem Teltowkanal in Wannsee. Es sind 16 Zielscheiben aufgestellt. Eine Ampel zeigt an, ob geschossen werden darf. Wind weht kaum, nur die Pollen fliegen hartnäckig. Nichts für Allergiker. Und fast schon nebenbei fanden dort gestern die Landesmeisterschaften der Bogenschützen statt. 52 Teilnehmer gingen an den Start.

„Der Stress war heute nicht so groß“, sagt Stefan Griem. Der WM-Zweite mit der Mannschaft schoss in dieser Atmosphäre drei deutsche Rekorde und gewann überlegen die Konkurrenz in seiner Klasse. Im Vorkampf errang er mit 697 von 720 möglichen Ringen ein Weltklasseergebnis. Bereits letzte Woche qualifizierte sich der 32-Jährige für die Europameisterschaften Ende Juli in Finnland. Und da lief es bereits gut.

„Es gibt Phasen, da trifft man alles“, sagt Griem, „aber über einen Wettkampf verteilt ist die Konzentration meist wellenförmig.“ Neben der Konzentration ist beim Bogenschießen aber auch Kraft gefragt. Die Zugkraft des Bogens beträgt bei den Männern bis fast 30 Kilo. Und bei 140 Schuss pro Wettbewerb und etwa 3000 Übungsschüssen pro Monat muss man entsprechend gestählt sein. Krafttraining ist da Pflicht. Zudem trainiert ein Nationalschütze wie Griem vier Mal pro Woche.

Aber nicht hauptsächlich wegen der Titel. Für Griem macht die Faszination seines Sports das Gefühl des perfekten Schusses aus. Und wenn das auch noch bei großen Wettbewerben passiert, so Griem, will man das Gefühl immer wieder erleben. „Man braucht dann gar nicht nachschauen, ob man getroffen hat, man spürt, dass der Schuss perfekt war.“ Das passiert allerdings nicht oft. Meistens müssen sich die Schützen mit kleinen Tricks über Konzentrationsschwankungen hinweghelfen. Da hat jeder seine eigenen. „Im Griff hat man das Bogenschießen aber nie“, sagt der Berliner Meister.

Und auch die Sportgeräte sind eine Wissenschaft für sich. „Die Bogen müssen perfekt auf den Schützen abgestimmt sein“, sagt Rainer Voss, ebenfalls Vize-Weltmeister, der in Berlin hinter Griem Zweiter wurde. Gerade das gefällt dem Feinmechaniker besonders, das Tüfteln am Gerät. Die hier verwendeten, nicht-olympischen Sport-Bogen erinnert mit den vielen Streben, Sehnen und Rädchen, aber nicht an Robin-Hood-Filme. Sondern eher an ein mechanisches Insekt. Die olympischen Bogen kommen traditioneller daher. Aber das ist für Griem und Voss nicht entscheidend. Beide haben mit dem olympischen Bogen angefangen und sind dann gewechselt. Mit dem modernen Bogen kann man eine höhere Zugkraft spannen. Die Pfeile schnellen mit bis zu 300 km/h von der Sehne.

In jedem Fall braucht man Jahre, bis man gut wird, sagt Griem. Dafür spielt das Alter in diesem Sport keine so große Rolle. „Mit 40 kann man noch in der Weltspitze sein“, sagt Vize-Weltmeister Voss. Er selbst ist 45. Trotzdem bemüht sich der Verein, um den Nachwuchs. Bei den 1. Berliner Bogenschützen gibt es eine Jugendgruppe, in der man ab zehn Jahren mitmachen kann. Was man dabei neben der Konzentrationsfähigkeit noch lernen kann ist Fairness. Bei den Berliner Meisterschaften sind die Sportler nach den Schüssen selbst zu ihren Zielscheiben gegangen und haben die Ringe gezählt. Schummeln würde hier nie einer.

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