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Berlin: Fenster zur Spree

Schon allein mit der Lage kann das Vier-Sterne-Hotel Meliá in Mitte bei den Touristen punkten Es gibt einen Schiffsanleger vorm Haus und fünf Theater um die Ecke

Ganz ulkig: Bei diesem Café-Restaurant geht man in der Friedrichstraße rein und kommt Am Weidendamm wieder ’raus. Oder umgekehrt. Zwischendurch sitzt der Gast vor breiten, hohen Fenstern, wähnt sich als Teil der belebten Umgebung draußen, trinkt seinen Rioja und genießt diese Aussicht mit dem frohen Gefühl, etwas Neues zu erleben. Denn das gab es so noch nie: Bahnhof, Spree, Schiffbauerdamm, Ganymed, Berliner Ensemble und ganz hinten die Reichstagskuppel – alles in einem Blick.

Hier, neben dem Admirals- und gegenüber dem Tränenpalast, war bis vor kurzem noch eine unansehnliche Brache, niemand wollte den Flachbau mit dem polnischen Kulturzentrum aus DDR-Tagen haben. Er wurde abgerissen. Das Areal in prominenter Lage verkam. Bis vor zwei Jahren die Bagger anrückten. Es wurde gebaut, Tiefgarage, das Verbändehaus. Nun sind die Planen mit den größten Werbepostern der Stadt gefallen. Das neungeschossige, an der Ecke elegant gerundete Haus ist aus dem Ei gepellt, wir staunen. Denn nicht nur von innen nach außen erlebt man ein kleines Wunder, auch umgekehrt: Der Admiralspalast hat nun einen Nachbarn, zwischen Bahnhofsbrücke und Weidendamm klafft keine Lücke mehr, der moderne Mittelteil der Friedrichstraße überspringt die S-Bahn und setzt sich endlich auch gen Norden fort.

Das neue Gebäude direkt an der Spree ist das erste Vier-Sterne-Hotel der spanischen Sol-Meliá-Kette in Deutschland; das Unternehmen betreibt weltweit 350 Hotels, vor allem in Spanien, Lateinamerika und in der Karibik. Über dem Eingang Friedrichstraße 103 hängen zwei spanische Fahnen, die weitläufige Lobby ist einladend hell, großzügig. Gradlinige, schlichte Formen, warme Materialien (roter persischer Travertin). Einen Kontrapunkt zur Modernität setzt eine Reihe von elf gläsernen Kronleuchtern, „augenzwinkernd“ nennt das Johannes Heinrich, dessen Architektengemeinschaft mit Jan Bassenge und Kay Puhan-Schulz schon dem Interconti und dem Schweizer Hof ein Innenleben gab. In der Friedrichstraße soll es einem schon etwas spanisch vorkommen, aber nicht zu viel: „Keine folkloristischen Elemente, sondern klassischer Stil – modern, hell, irgendwie stolz.“ Gewissermaßen mehr Grandezza als Olé! Die Zimmer sind hell, gelb und zart grün, kein bisschen überkandidelt – auch für Kissenschlachten auf breiten Betten gibt es genug Munition. Im oberen Bereich haben sie den „Royal floor“ mit Suiten in dunklem Rot, Dachterrasse und Wellness dazu.

Das Meliá hat 364 Zimmer, sechs Tagungsräume für bis zu 800 Personen, eine Tapas-Bar und im ersten Stock ein Restaurant. Als das Hotel vor einer Woche früh um neun öffnete, kam der erste Gast um neun Uhr zwei, der französische Tourist war sehr überrascht, dass man ihm einen Drei-Tages-Trip nach Barcelona als Geschenk offerierte. Direktor Klaus Kartmann ist optimistisch, dass sich sein Haus rasch in der Berliner Hotellerie einen Namen macht: „Dies ist die schönste Lage von Berlin, so viel Pluspunkte macht uns keiner nach: Schiffsanleger und Wasser mit regem Verkehr vorm Haus, ein paar Schritte in die Oranienburger Straße, fünf Theater in der Nähe – und die Tradition dieser Straße dazu.“ Den 54-jährigen Düsseldorfer habe Berlin immer schon gereizt, zuletzt eröffnete Kartmann das Swiss-Hotel in Moskau, war zuvor in Südafrika, Kuweit, Spanien, Paris, Tunis, Montreal. Für den Oktober sind bereits 61 Prozent Auslastung gebucht, „wir haben jeden Tag um die 200 Gäste im Haus“. Internet und die weitreichende Sol-Kette machen es möglich, zudem verstärkt sich der Strom spanischer Touristen, und das im Oktober geltende Eröffnungsangebot mit Zimmerpreisen zwischen 120 und 140 Euro tut ein Übriges. Das Preis-Leistungs-Verhältnis der Berliner Hotellerie sei im internationalen Verhältnis nachgerade genial, es hat sich längst herumgesprochen, dass Berlin die modernste Hotellandschaft Europas bietet – zu Preisen, über die manch qualitätsbewusster Hotelier allerdings nicht gerade glücklich ist.

Der Hotelgast profitiert. Berlin hat mittlerweile über 86 000 Hotelbetten, von Januar bis Juli 2006 übernachteten hier 8,8 Prozent mehr als zur gleichen Zeit des Vorjahres, nämlich 8,7 Millionen Gäste. Christian Tänzler von der Berlin Tourismus Marketing-Gesellschaft hofft, dass am Jahresende die magische 15-Millionen-Grenze erreicht wird: Die Fußball-WM wirkt nach, viele kommen wieder, angesteckt vom Virus Berlin. Und neue Hotels wie das hübsche Meliá oder als Nächstes das exklusive Hotel de Rome am Bebelplatz sind wie goldene Rahmen für diese ebenso aufgekratzte wie aufgewühlte Stadt.

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