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© Schroeder Thomas

Feuermelder gesucht: Soll es Bürgerwachen gegen Autozündler geben?

Die Polizeigewerkschaft hat eine Idee: Bürger sollen beim Kampf gegen die politisch motivierten Autozündler helfen. Der Plan ist umstritten. Ein Pro & Contra:

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) hat mit ihrer jüngsten Forderung, die politisch motivierten Brandstiftungen mit einer „Bürgerbewegung“ zu bekämpfen, ein kontroverses Echo ausgelöst. „Der Innensenator muss eine Bürgerbewegung gegen den Kiezterror initiieren“, hatte Gewerkschaftschef Bodo Pfalzgraf in einer Mitteilung gefordert. Eine Sprecherin des SPD-Innensenators lehnte eine Stellungnahme zu dieser Idee ab. Sie verwies darauf, dass Innensenator Ehrhart Körting, Polizeipräsident Dieter Glietsch und die Leiterin des Verfassungsschutzes, Claudia Schmid, am Mittwoch die Studie „Linke Gewalt in Berlin“ vorstellen. Auf der hochkarätig besetzten Tagung soll auch über neue „Maßnahmen gegen linke Gewalt“ diskutiert werden. „Eine Art Bürgerwehr planen wir jedoch definitiv nicht“, heißt es in Senatskreisen.

Kritik kam von der größeren der beiden Polizeigewerkschaften. GdP-Sprecher Klaus Eisenreich nannte die Idee „hochgefährlich“. Das Gewaltmonopol müsse beim Staat bleiben, ein nächtliches Einschreiten gegen Brandstifter sei riskant.

Bodo Pfalzgraf, Landesvorsitzender der DPolG, sagte, mit Bürgerbewegung sei keine Bürgerwehr gemeint, sondern eher ein runder Tisch. Zeugen nächtlicher Brandstiftungen müssten animiert werden, nicht wegzusehen sondern die Polizei anzurufen, sagte Pfalzgraf, die ausgesetzte Belohnung müsse stärker beworben werden. Experten halten dies für sinnlos. Zwar hatte Glietsch im April tatsächlich eine Belohnung von 10 000 Euro ausgesetzt. Die zielt jedoch auf Verräter in den eigenen Reihen. Die linksextremistischen Zündler agierten so vorsichtig, dass es nie Zeugen geben werde, sagte ein leitender Beamter. Deshalb sei es in den vergangenen Jahren ja auch nicht gelungen, einen Täter auf frischer Tat festzunehmen.

Der grüne Innenpolitiker Benedikt Lux forderte mehr nächtliche Polizeipräsenz auf den Straßen, um so den Druck zu erhöhen. Unterstützung erhielt die Deutsche Polizeigewerkschaft nur von der CDU, die in den vergangenen Monaten mehrfach einen „runden Tisch gegen linke Gewalt“ gefordert hatte. Den lehnte Polizeipräsident Glietsch kürzlich im Tagesspiegel-Interview ab, er bezeichnete ihn als „Luftnummer“. Die bürgerlichen Parteien sollten lieber aufhören, die Polizei nach jedem abgebrannten Auto als unfähig darzustellen, hatte Glietsch darin gesagt. Pfalzgraf erklärte dagegen, beim 1. Mai sei es ja auch gelungen, die Gewalt einzudämmen, weil man alle Parteien und gesellschaftlichen Gruppen an einen Tisch bekommen habe.
Von Jörn Hasselmann

PRO

Bürgerwache, das klingt gefährlich. Nach Patrouille und Dienst, nach Anwohnern, die nächtens mit Baseball-Schlägern bewaffnet um die Häuser ziehen. Doch die von der Deutschen Polizeigewerkschaft geforderte Bürgerbewegung hat viel mit Wachsamkeit und nichts mit Abwehr zu tun. Autos brennen und die Brandstifter werden nicht geschnappt, weil niemand schnell genug Alarm schlägt, weil kein Beamter zügig genug vor Ort sein kann.

Mit ihrer Idee einer Bürgerbewegung in den Kiezen versucht die Polizeigewerkschaft nicht, die eigene Arbeit auf Bürger abzuwälzen. Sie bittet um Mithilfe. Niemand soll auf eigene Faust Kriminelle jagen, kein Hobbydetektiv sich durch falsche Courage selbst gefährden. Aber diejenigen, die in den Kiezen leben, in denen regelmäßig Autos brennen, sollten achtsam sein, sollten Verdächtiges melden, Beobachtungen sofort weiterleiten – auch, wenn der Porsche vor dem Haus „nur“ dem verhassten Nachbarn gehört, man selbst jedoch passionierter Radler ist. Es ist zu hoffen: Je mehr Brandstifter erwischt werden, desto weniger werden sich trauen zu zündeln.

Solange niemand öffentlich zeigt, dass die Zerstörung nicht toleriert wird, bleibt die Geschichte der brennenden Autos in Berlin ein Zweikampf derer, die sich naturgemäß schlecht verstehen – Polizisten und Kriminelle. Und für das Leben im Kiez hätte eine Bürgerbewegung noch einen positiven Nebeneffekt: ein bisschen mehr Zusammenhalt.
Katja Reimann


CONTRA

Wir schalten jetzt live zur Versammlung der Bürgerwacht: „Kommen wir nun zur Abstimmung: Wer lehnt Autobrandstiftungen ab? – Danke, sind alle. In diesem Sinne: Immer schön wachsam sein. Bis nächste Woche.“ So ungefähr würde es wohl zugehen am Runden Tisch oder wie auch immer man die Institution nennen mag. Egal, wie sie heißt: Sie wird zum Scheitern verurteilt sein, weil wohlfeiles Reden nur der eigenen Bestätigung dient, aber die Täter nicht erreicht. Die Zündeleien sind längst keine schräge Art von Folklore mehr, sondern Verbrechen. Der Umgang damit muss nicht mehr erörtert werden, sondern ist im Strafgesetzbuch geregelt. Was die Brandstiftungen von anderen Verbrechen unterscheidet, ist das Gefühl der Ohnmacht: Das Auto muss nun mal allein und draußen bleiben, während man selbst in der verriegelten Wohnung unter der Bettdecke liegt. Wer nächtens zufällig jemanden kokeln sieht, ruft ohnehin die Polizei, sofern er halbwegs bei Trost ist. Dazu bedarf es keiner vertiefenden Beratung durch die Bürgerwehr. Und Selbstjustiz ist erstens schwierig und zweitens hochgefährlich, weil die Zündler um keinen Preis erwischt werden wollen. Hinzu kommt die Gefahr von Kollateralschäden: Nase gebrochen, weil man sich zufällig neben einem Mercedes die Schuhe zugebunden hat? Kann passieren. Also bleibt leider nur die Hoffnung auf die Polizei – so frustrierend das angesichts der bisherigen Null-Erfolqsquote auch ist. Stefan Jacobs

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