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Berlin: Flüchtlingsprangaus Angstvorder Polizei aus dem Fenster Afrikaner durch Notoperation gerettet Richter kritisiert Regelungen für Abschiebehaft

Als die Polizei am Donnerstagabend bei ihm an der Tür klingelte, ahnte der 39-jährige Mann aus Ghana vermutlich, was mit ihm passieren würde. Er hatte sich illegal in Berlin aufgehalten, die Polizei hatte einen anonymen Tipp bekommen und wollte die Identität des Mannes überprüfen.

Als die Polizei am Donnerstagabend bei ihm an der Tür klingelte, ahnte der 39-jährige Mann aus Ghana vermutlich, was mit ihm passieren würde. Er hatte sich illegal in Berlin aufgehalten, die Polizei hatte einen anonymen Tipp bekommen und wollte die Identität des Mannes überprüfen. Vermutlich hätten ihn die Polizisten festgenommen und ins Abschiebegefängnis gebracht. Um dem zu entgehen, sprang der Afrikaner aus dem vierten Stock seiner Wohnung in der Wesendorfer Straße in Reinickendorf. Der Afrikaner, dessen Identität auch am Freitag nicht feststand, wurde durch eine Notoperation gerettet.

Momentan sitzen 155 Menschen im Abschiebegefängnis Köpenick. Seriöse Schätzungen, wie viele sich illegal in Berlin aufhalten, gibt es nicht. Dass jemand sein Leben riskiert, um der Festnahme zu entgehen, ist selten. Dass sich dramatische Szenen ereignen, Familien auseinander gerissen werden, ist jedoch Alltag.

„Was ich teilweise erlebt habe, hat nichts mit Rechtsstaat zu tun“, sagte Hans-Jürgen van Schewick auf einer Veranstaltung der Katholischen Akademie und des Jesuiten-Flüchtlingsrates am Donnerstag. Van Schewick ist Richter am Bundesverwaltungsgericht. Er kritisierte, dass der Paragraf 62 im Aufenthaltsrecht, der die Abschiebehaft regelt, „gummiweich“ sei und Abschiebehäftlingen weniger Rechte einräume als Untersuchungshäftlingen. „Und das, obwohl Abschiebehäftlinge keine Straftäter sind, sondern nur deshalb festgenommen werden, damit eine Verwaltungsmaßnahme, die Abschiebung, vollzogen werden kann.“ Stattdessen würden Menschen oft inhaftiert, um sie unter Druck zu setzen, damit sie ihre Identität preisgeben, vermutet van Schewick. Das sei nicht zulässig. Der Richter forderte, dass die maximale Haftdauer, die zurzeit 18 Monate betragen kann, auf sechs Monate begrenzt werde, wie es eine EU-Richtlinie vorsieht.

2004 betrug die durchschnittliche Haftdauer im Abschiebegefängnis Köpenick 59 Tage, 2002 waren es 24 Tage. Die Zahl der Häftlinge hat sich halbiert, von 5400 im Jahr 2002 auf 2700 vergangenes Jahr. Jetzt würden nur noch diejenigen inhaftiert, bei denen man tatsächlich davon ausgehen könne, dass sie abgeschoben werden, sagte Ulrich Freise, Staatssekretär in der Innenverwaltung.

Im März hatte das Kammergericht entschieden, dass Minderjährige nur dann in Abschiebehaft kommen dürfen, wenn andere Mittel, etwa die Unterbringung in einer Jugendeinrichtung, nichts genutzt haben. Die Ausländerbehörde hatte sich nicht daran gehalten. Jetzt mahnte das Landgericht die Behörde noch mal, dem Schutz der Minderjährigen Vorrang zu gewähren. Kinder und Jugendliche könnten durch die Haft „dauerhafte psychische Schäden“ davontragen“, heißt es in dem Beschluss. Deshalb reiche es nicht, wenn die Ausländerbehörde nur annehme, dass ein Minderjähriger nicht in einer Jugendeinrichtung bleiben würde. Sie müsse es ausprobiert haben, bevor man ihn ins Abschiebegefängnis bringen dürfe.

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