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Rollfeld

© dpa

Flughafen Tempelhof: Bilderbuchstarts und Bruchlandungen

Modemesse, Rockfestival, Feuerwerk und Sportspektakel: Wie sich Tempelhof als neuer Veranstaltungsort etabliert hat.

Über den früheren Flughafen Tempelhof werden Anfang September kommenden Jahres die Streitwagen des Antikenspektakels „Ben Hur“ rasen. Ben Hur ist bundesweit ein Kassenschlager und wird im Ruhrgebiet wegen der großen Nachfrage sogar in der Schalkearena aufgeführt. Für die drei Veranstaltungen in Berlin, die zwischen dem 2. und 4. September geplant sind, nimmt der Veranstalter schon Kartenreservierungen an. Bei der Berliner Immobilien Management (BIM) bestätigte Geschäftsführer Sven Lemiss auf Anfrage, dass die Vertragsunterzeichnung an den noch zu klärenden Details kaum scheitern werde. Am 20. Oktober 2008 endete der Flugbetrieb in Tempelhof. Der älteste Verkehrsflughafen der Welt startete in eine neue Ära als Veranstaltungsort. Wir ziehen Bilanz nach einem Jahr mit neuer Nutzung.


MODEMESSE BREAD AND BUTTER

Durchgestartet wurde mit einer umstrittenen Entscheidung: Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) holte die Modemesse Bread and Butter an den Platz der Luftbrücke, als ersten und wichtigsten Nutzer. Die Ansiedlung hat sich inzwischen als Glücksfall erwiesen – trotz anfänglich heftiger politischer Kontroversen über Wowereits Alleingang: Viele andere Messen, Konzerte, Ausstellungen und Veranstaltungen folgten.


PYROMUSIKALE

Doch nicht alle Veranstalter hatten eine glückliche Hand: Nach einem Jahr gibt es auch schon die erste Insolvenz. Das Musikfeuerwerk „Pyromusikale“ im Juli ist buchstäblich ins Wasser gefallen. Regen und nach Meinung vieler Besucher eine mäßige Auftaktveranstaltung verdarben den Veranstaltern das Geschäft: Insolvenzverwalter Udo Feser sagt, er hat Stühle, Tontechnik und was er sonst an „Vermögenswerten“ beim Pyromusikale-Veranstalter „Edda Konzert und Theater“ finden konnte, gesichert, „um es an die Gläubiger zu verteilen. Edda-Chef Hans-Georg Kehse erklärt die Pleite mit dem Wetter, so dass „die Besucherzahlen unter dem geblieben sind, was wir erwartet und womit wir kalkuliert hatten.“ Der Rückschlag für den Veranstalter muss allerdings noch nicht das Aus für das musikalische Feuerwerk bedeuten. Aus dem Umfeld von Sponsoren ist zu hören, dass ein Konzern einspringen will – und die Feuerwerke künftig selbst zünden will, aber mehr Livemusik dazu anbieten.

ROCKFESTIVAL

Mehr Glück hatten die Veranstalter des Berlinfestivals, die Anfang August zum zweitägigen Konzertwochenende rund 10 000 Zuschauer aufs Rollfeld holten – mit zahlreichen Bands und dem britischen Skandalrocker Peter Doherty. Zu einem Woodstock-Revival-Konzert, das außerdem geplant war, kam es allerdings nicht.

REITTURNIER UND FREESTYLE-MESSE

Von eher mäßigen Besucherzahlen berichten dagegen die Besucher der „Free-Style“-Veranstaltung sowie des Internationalen Reitturniers. Das bestätigt auch die BIM. Doch deren Chef Lemiss sagt: „Die Reiter haben nicht mehr Besucher erwartet und werden ganz sicher wiederkommen.“ Die Veranstalter seien sehr zufrieden gewesen, zumal sie am Rande der Veranstaltungen sogar neue Sponsoren-Verträge abgeschlossen haben sollen. Das Problem sei hier, ebenso wie im Fall der Freestyle-Messe, dass zu wenig Zeit zwischen Buchung von Tempelhof und Eröffnung gewesen sei – und zu wenig geworben worden sei.

AUSBLICK

Das ist wohl auch das Überraschende nach einem Jahr Betrieb: Dass viele Veranstalter Neues ausprobieren und immer mehr dazukommen. Der Clean Tech Media Award zum Beispiel, eine Art Oscar für ökologische Technologien. Die Veranstalter wollen am 25. Oktober einen „E-Day“ veranstalten und 50 Elektrobikes verschiedener Hersteller über das Feld rollen lassen. „Das ist ein Testballon für die Vergabe des Clean Tech Awards und einer begleitenden Messe im September nächsten Jahres“, sagt Veranstalter Marco Voigt. In diesem Jahr wurde der Award im zum Bersten vollen E-Werk vergeben. Nun will Voigt dem Öko-Oscar internationales Renommee verschaffen, um dem Trend zur „Verstromung“ von Auto, Fahrrad und Moped voranzubringen. Deshalb hofft man für das Tempelhofer Großereignis 2010 auf die Beteiligung der großen Automobilkonzerne.

Für BIM-Chef Lemiss, vor allem aber für das Land Berlin sind das gute Nachrichten: Der Veranstaltungskalender füllt sich, so dass die Zuschüsse für den teuren Betrieb des denkmalgeschützten Areals seit dem Ende des Flugbetriebs von zehn auf acht Millionen Euro jährlich gesenkt werden konnten. In fünf bis sieben Jahren, so seine „optimistische, aber nicht unrealistische Prognose“, will Lemiss Tempelhof ohne Subventionen betreiben.

Die vielen Veranstaltungen, einen Tag der offenen Tür inbegriffen, sollen in diesem Jahr rund 350 000 Besucher auf das Flughafengelände lotsen. Noch viel mehr werden wohl kommen, wenn auch die Grünflächen der größten Brache in der Innenstadt für alle Berliner geöffnet werden. Die 300 Hektar will der Senat schrittweise für die Allgemeinheit zugänglich machen.

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