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Flugrouten: Pfiffe für Wowereit - vor fünf Jahren

Vor fünf Jahren buhten Flugroutengegner den Regierenden Bürgermeister aus. Die Lärmschutzkommission beendete ihre Sitzung vorzeitig ohne Beschluss. Was Klaus Kurpjuweit darüber schrieb.

Nicht gerade freundlich ist der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) am Montagabend bei der Demonstration der Flugroutengegner in Lichtenrade empfangen worden. Er konnte zunächst nur unter Buhrufen und Pfiffen reden, die später nachließen. Einige der erneut rund 5000 Teilnehmer nannten ihn „Lügner“ und riefen „abtreten“. Wowereit, der selber bis vor wenigen Jahren in Lichtenrade gewohnt hatte, erklärte in seiner Rede Verständnis für die Sorgen der Bewohner: „Die ökonomischen Belange der Fluggesellschaften sind nachrangig.“ Den immer noch im Raum stehenden Vorschlag der Flugsicherung für die Routen vom und zum neuen Flughafen in Schönefeld nannte er inakzeptabel. Wowereit sagte zudem, er sei seinerzeit für den Standort Sperenberg gewesen: „Aber andere haben die Entscheidung getroffen. Jetzt gibt es keine Alternative mehr.“ Der CDU-Fraktions- und Landesvorsitzende Frank Henkel bezeichnete Wowereits Teilnahme als „Doppelspiel“. Als Regierender Bürgermeister habe dieser genug Möglichkeiten, auf die Routenplanung Einfluss zu nehmen.

Zuvor war die Sitzung der Fluglärmkommission vorzeitig beendet worden – ohne konkretes Ergebnis. Damit verliere man weitere Zeit, bis die Routen festgelegt werden können, klagte Flughafensprecher Ralf Kunkel. Die nächste Sitzung der Fluglärmkommission, die ohnehin nur eine beratende Funktion hat, ist für den 13. Dezember vorgesehen.

Den Teilnehmern der Sitzung, deren Mitgliederzahl von 17 auf 34 erweitert worden war, lagen mehrere Vorschläge für alternative Routen auf dem Tisch, bei denen möglichst wenig bewohnte Gebiete überflogen werden sollen. Die Sitzung verlief nach Angaben von Teilnehmern ziemlich chaotisch; Vertreter von Bürgerinitiativen, die als Gast teilnehmen wollten, wurden erst ausgeladen und dann wieder zugelassen.

Ob das Gremium später zu einem Beschluss kommen wird, ist ungewiss. Bereits im Vorfeld waren die Mitglieder so zerstritten, dass einige der bisherigen Teilnehmer die vom Infrastrukturministerium in Brandenburg initiierte Aufnahme weiterer Mitglieder gerichtlich untersagen lassen wollten. Der Versuch scheitere. Flughafensprecher Kunkel forderte das Gremium auf, „professioneller“ zu arbeiten. Die Flugsicherung soll nun, ohne förmlichen Auftrag, prüfen, ob sich die der Kommission vorliegenden Anträge zu Alternativrouten umsetzen lassen, teilte das Infrastrukturministerium mit.

Die Flugsicherung selbst hatte keine Pläne mitgebracht. Sie war von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) aufgefordert worden, zu den ursprünglichen Plänen zurückzukehren. Dieses Ansinnen müsse die Lärmschutzkommission aufnehmen und an die Flugsicherung weiterleiten, heißt es dort. Deren Pläne sahen vor, dass die Flugzeuge auch bei einem Parallelstart zunächst geradeaus fliegen. So war im Genehmigungsverfahren für den Flughafenausbau auch das Lärmschutzgebiet festgelegt worden. Am 6. September stellte die Flugsicherung ein anderes Konzept vor, wonach die Maschinen nach dem Start abknicken sollen. Sie beruft sich auf eine Regelung, auf die sie schon 1998 hingewiesen habe. Demnach müssen die Flugzeuge nach dem Start um mindestens 15 Grad voneinander abweichen, was zu neuen Routen führt.

Der ehemalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU), der 1996 zusammen mit dem damaligen Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) den Standort Schönefeld gegen den ursprünglichen Willen von Brandenburgs Regierungschef Manfred Stolpe (SPD) durchgesetzt hatte, sagte dem Tagesspiegel, die neuen Sicherheitsbestimmungen seien entweder verschlafen worden oder „die Verantwortlichen steckten den Kopf bewusst in den Sand“. Es hätte umgeplant werden können. Aber selbst beim Lärmschutzprogramm sei einfach so weitergemacht worden. Dies sei mindestens eine „Schlamperei.“ Die Entscheidung für Schönefeld hält Diepgen nach wie vor für richtig, auch wenn es seit 1996 Veränderungen durch die Billigflieger gegeben habe. Bei den damals diskutierten Standorten Jüterbog, Parchim und Sperenberg wäre Wirtschaftskraft aus der Stadt und dem Umfeld abgezogen worden.

Eine erneute Diskussion über den Standort schade der Hauptstadtregion, erklärte die Flughafengesellschaft. Sie verwies darauf, dass Parallelstarts – und damit geänderte Flugrouten – erforderlich seien, um den angemeldeten Verkehr abwickeln zu können. Klaus Kurpjuweit

mit asi/ball/has/bkr

Der Beitrag erscheint in unserer Rubrik "Vor fünf Jahren"

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