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Berlin: Fluss mit Wiederkehr

Die Panke mündet mitten in Berlin in die Spree. Doch sie ist fast nirgends zu sehen. Das soll sich ändern, langsam aber stetig

Auf dem Stadtplan ist ein Fluss eingezeichnet, ein feiner, blauer Strich vor dem Berliner Ensemble, genau da, wo in lauen Sommernächten die Theatergäste ihren Pausensekt trinken. Das ist die Panke – auf dem Stadtplan blau, in Wirklichkeit verborgen. Wer kennt schon ihre letzten Kilometer? Ihren schamvollen Weg durch Berlins Mitte bis zu der Mündung in die Spree. Ihre Schleichspur durch rote Backstein- und graue Betonrohre.

Es gab einmal Parks, die schönsten von Berlin, die lagen direkt an diesem Fluss. Sie hießen Ephraimischer, Tarrigascher und Reußischer Garten und hatten beinahe die Pracht von Sanssouci. Spaliere von Pfirsichbäumen säumten die Alleen im Reußischen Garten, die Nebenwege waren mit Lavendel umrahmt. Sandsteintreppen führten zum Ufer der Panke hinunter, vorbei an Grotten und wasserspeienden Figuren.

Zweihundert Jahre ist das her. Aber ein Stück des Gartens gibt es bis heute: die alten Ahornbäume, die Brücken und das Flussbett der Panke. Auf dem Gelände der ehemaligen „königlichen Tierarzneischule“, zwischen der Rückseite des Deutschen Theaters und dem Hochhaus der Charité. Dazu Glanzlichter der Architektur: der weiße „Trichinentempel“ mit der runden Kuppel, die alten Stallanlagen aus Fachwerk. Und Ruhe wie auf dem Dorf. Es ist verrückt: Da gibt es eine grüne Oase direkt neben der Friedrichstraße und kaum jemand findet den Weg hierher.

Man braucht nur der Panke zu folgen, dann entdeckt man die Stadt. Kein Wunder, ganze Viertel haben sich an ihrem Ufer entwickelt. Für Stadtplaner wie Regina Krokowski von Grün Berlin ist es deswegen mehr als eine historische Sentimentalität, den Fluss, da, wo immer es geht, wieder sichtbar zu machen. Sie hat sich hohe Wanderschuhe angezogen für die kleine Führung, denn auf den Spuren der Panke kann es manchmal matschig werden. Auch mitten in der Stadt.

In der Reinhardtstraße sieht man noch ein verschnörkeltes Brückengeländer. Fotos zeigen, dass in dem kleinen Spalt zwischen den Häusern 17 und 19 der Fluss wie in Venedig stand. Direkt an der Hauswand, bis unter die Fensterbretter. Bei dem Dreck, den die Panke aus dem Norden der Stadt mitbrachte, keine schöne Vorstellung. Die gelben Schaumkronen des Fortschritts, brachte man lieber unter die Erde, „verrohrte“ sie, selbst noch zu DDR-Zeiten, als sie nurmehr ein Regenwasserkanal war.

Im Büro von Regina Krokowski hängen Karten an der Wand, da sieht alles ganz einfach aus. Mit einem Finger kann man der Panke ohne Hindernisse folgen. Planer zeichnen die Zukunft. In der Gegenwart endet der Weg an einem Bauzaun am Berthold-Brecht-Platz. Mit Ernüchterung, die Panke bleibt hier auch in Zukunft unter der Erde. Alles andere wäre zu teuer. Landschaftsplanung in der Stadt, erklärt Regina Krokowski, bedeutet auch das Denken „in Machbarkeiten“.

Meist führt die Südpanke über Privatgelände. Jeder einzelne Eigentümer muss für die Idee des Panke-Weges, für den Sinn des öffentlichen Wegerechts einzeln begeistert werden. „Wollen Sie nicht ein Wassergrundstück?“, fragt die Planerin dann, und ein paar Mal hatte sie damit Erfolg. Beim Verkehrsministerium zum Beispiel, wo die Panke nicht mehr unterirdisch fließt, sondern in einem rechtwinkligen Graben. Oder an der Hannoverschen Straße, wo es seit 1999 ein neues Flussbett aus kleinen Steinen gibt, einen Weg mit Bänken auf dem Privatgelände. Die Grundschule gegenüber hat auf ihrem Pausenhof jetzt sogar ein Klassenzimmer im Freien, gleich am Ufer.

Ihr größtes Wegstück passiert die Südpanke schon durch Wildnis, matschige Wildnis. Wo einmal das Stadion der Weltjugend war, stapft man durch hohes Gras, vorbei am Heizkraftwerk mit zerschlagenen Fensterscheiben, bis nach 300 Metern das grüne Flussbett der Panke zu sehen ist. Es liegt am Rande der Brache, auf die der BND seine Zentrale bauen will. In der Ferne rumpelt die Straßenbahn über die Chausseestraße.

„Ein Stück Idylle nach dem anderen muss der Zweckmäßigkeit weichen“, notierte ein Berliner Chronist der 20er Jahre mit einem Anflug von Bitterkeit. Das sei das Gesetz der Großstadt. Es muss nicht immer so sein, sagt die Planerin und zeigt hinüber zum Südpankepark. Wenn wir bis hierher kommen, haben wir es geschafft. Spätestens im Jahr 2010.

Kirsten Wenzel

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