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Kürzen mit dem Rasenmäher. Weil die Bezirke pauschal Personal abbauen müssen, übernehmen Private immer mehr aufgaben – und lassen sich das gut bezahlen.

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Folgen der Finanzpolitik: Berliner Bezirke sparen sich kaputt

Weil Berlin-Mitte weniger ausgeben wollte, reinigen Privatunternehmen die Grünflächen. Dafür zahlt der Bezirk nun drauf. Diese Erfahrung machen auch andere Bezirke. Der Senat sieht die Verantwortung aber nicht bei sich.

Berlin spart um jeden Preis – und das kommt die Stadt teuer zu stehen. Was wie eine Posse aus Absurdistan klingt, ist bittere Realität. Weil der Bezirk Mitte mehr als 220 Stellen streichen muss, werden dort nun private Firmen etwa mit der Reinigung von Grünanlagen beauftragt. Dafür muss der Bezirk nun mehr Geld ausgegeben, als er zuvor für Mitarbeiter zahlte, die im Bezirk diese Aufgaben übernahmen. Und das ist kein Einzelfall.

„Für die Reinigung der Grünflächen bezahlen wir seit der Streichung von Stellen doppelt so viel wie zuvor“, sagt der Bezirksstadtrat für Ordnungsangelegenheiten Carsten Spallek (CDU). Das zeigte sich bei einer Ausschreibung der Leistung, die zuvor Bezirksangestellte erbrachten: „Wir bezahlen jetzt rund 460.000 Euro mehr, als wir zuvor für die zehn Mitarbeiter ausgegeben haben“, sagt Spallek.

„Hier wird nicht gespart, hier wird gestrichen und gekürzt“, sagt der Bezirksstadtrat. Natürlich könne der Bezirk die Parks und Grünflächen verwildern lassen oder die Abstände zwischen der Entleerung von Mülleimern vergrößern, sinniert der Bezirksstadtrat. „Aber will sich eine Hauptstadt im Zentrum wirklich einen solchen Anblick leisten?“ Verweigern will sich Spallek dem Sparen nicht, er erkennt die Notwendigkeit an. Nur: Die Maßnahmen müssten auch wirtschaftlich sein.

Die Grenzen der Privatisierung seien auch erkennbar bei Hauswarten von Schulen oder Platzwarten auf Sportanlagen. Und der Bezirkstadtrat warnt vor den Folgen der Privatisierung von Leistungen: „Beim Schlaglochprogramm oder den Kitasanierungen ist ein starker Anstieg der Preise schon zu erkennen“, sagt der Bezirksstadtrat. Die Anbieter seien gut ausgelastet und viele wüssten, dass die Bezirke mangels Personal auf sie angewiesen sind. „Da verlangen die zum Teil gesalzene Preise“, sagt Spallek – so sei das eben in der Marktwirtschaft und das mache die Sparanstrengungen zunichte.

Freischaffende Architekten rechnen nach Honorarordnung ab

Diese Erfahrung macht auch Norbert Kopp (CDU) , Bezirksbürgermeister von Steglitz-Zehlendorf: „Wegen der Sparmaßnahmen haben wir im Hochbaubereich fast gar keine Kräfte mehr und müssen auf Architekturbüros zurückgreifen“. Das komme den Bezirk teurer als früher, denn die freischaffenden Architekten rechnen jede Leistung nach der Honorarordnung ab. Kopp hat die Sparvorgaben des Senats bereits erfüllt. Belohnt wird er dafür nicht – seinem Bezirk werden trotzdem weiterhin pauschal 1,3 Prozent Personalkosten abgezogen – „das ist auch so eine Schizophrenie“, sagt Kopp.

Dagegen hat Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Andreas Geisel (SPD) „ganz bewusst“ das Baumanagement von den Personalkürzungen im Bezirk ausgenommen. „Bei Schulen müssten wir sonst 20 Prozent der Kosten für externe Planer draufschlagen“, sagt Geisel. Richtig teuer komme der Mangel eigener Planer die Bezirke bei Ausschreibungen von Leistungen und bei der Überwachungen der Arbeiten. Ohne qualifiziertes Personal, das „auf Augenhöhe“ mit den gewieften Baufirmen verhandeln kann, drohten Auftragnehmer schon mal übervorteilt zu werden: Kostenexplosionen oder aus dem Ruder laufende Bauzeiten drohten.

Dabei kennen Bezirke und Senat die Folgen kurzsichtiger Sparmaßnahmen aus anderen Bereichen: Weil die Jugendämter kaum noch Angestellte im Kinderschutz haben, steigen seit den 1990er Jahre die Kosten der „Hilfe zur Erziehung“ stetig. Allein mit der Zunahme von Haushalten in prekären Verhältnissen ist das nicht zu erklären. Schuld daran sind teilweise auch die wirtschaftlichen Interessen der freien Träger, die die privatisierte Leistung erbringen. „Wenn die Träger Heime bauen, muss die Belegung eben stimmen“, sagt Geisel. So werden dort Kinder schon mal untergebracht, die in der Familie bleiben könnten. Und mangels Mitarbeiter können die Bezirke solchen Fällen nicht immer nachgehen.

Bezirksbürgermeister Igel warnt schon lange vor ausufernder Privatisierung

Oliver Igel (SPD), Bezirksbürgermeister von Treptow-Köpenick, hatte bereits vor zwei Jahren gewarnt vor der ausufernden Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen. Er geht davon aus, dass „diese Arbeiten in der Regel teurer erkauft werden als sie zuvor durch eigene Mitarbeiter erbracht werden konnten“. Über kurz oder lang führe dies dazu, „dass die Qualität der Dienstleistungen schlechter wird“. Die „politische Vorgabe“ des Senats, pauschal Personal zu sparen, werden „weder zu den erhofften finanziellen Einsparungen noch zur Zufriedenheit der Berliner führen“.

Die Senatsfinanzverwaltung wies die Vorwürfe zurück: „Für alle Bezirke liegen beschlossene Personalabbaukonzepte vor, diese wurden von den Bezirken selbst erarbeitet“. Alle Bezirke würden „den vereinbarten Abbaupfad einhalten“, einige hätten „bereits jetzt Spielräume für zusätzliche Einstellungen – über die Nachbesetzung freier Stellen hinaus.

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