zum Hauptinhalt
Vor Gericht (Symbolbild).

© dpa

Update

Folter gegen Kinderlosigkeit: Anwalt beantragt Aussetzung des Prozesses um tödliche „Teufelsaustreibung“

Weil eine Frau keine Kinder bekam, sollen ihr Mann, die Schwiegereltern und ein „Wunderheiler“ sie zum Trinken einer Kochsalzlösung gezwungen haben. Sie starb.

Nesma M. ist nach siebentägiger Qual gestorben. Weil ihre Ehe vier Jahre lang kinderlos blieb, sollen der Ehemann und seine Eltern auf den Rat eines „islamischen Wunderheilers“ gesetzt haben. Der sogenannte Hodscha soll nach Erkenntnissen der Ermittler eine „Salzwasserkur zur Teufelsaustreibung“ verordnet haben.

Fast fünf Jahre später müssen sich Ehemann Wajdi H., seine Eltern im Alter von 57 und 58 Jahren sowie der angebliche Heiler jetzt vor dem Landgericht Berlin verantworten. Die Anklage lautet auf Körperverletzung mit Todesfolge.

Was geschah zwischen dem 30. November und dem 7. Dezember 2015 in der Wohnung des Ehepaares in Tempelhof? Der „Hodscha“ soll die Kinderlosigkeit auf böse Geister zurückgeführt haben. Ein Exorzismus mit Salzwasser sei beschlossen worden. Täglich eineinhalb Liter Wasser habe die junge Frau laut Anklage trinken müssen, angereichert mit bis zu 64 Gramm Kochsalz. Ihr Mann und seine Eltern hätten die Prozedur überwacht.

Während die 22-Jährige das Gebräu schlucken musste, habe der angebliche Heiler Mazen K. das Geschehen mit Koran-Versen begleitet. Das Salzwasser trage zur Reinigung ihres Körpers bei, sei Nesma M. suggeriert worden. Sie habe sich dem Willen der Familie gebeugt, so die Anklage.

Bereits kurze Zeit nach der ersten „Trinksitzung“ sei es ihr erkennbar schlechter gegangen. Ihrem inzwischen 35-jährigen Mann und seinen Eltern sei bekannt gewesen, dass die junge Frau an einer Blutgerinnungsstörung und zur Tatzeit an einem fiebrigen Infekt gelitten habe. Die hohe Natriumdosis habe ihr Herz, das Gehirn und die Nieren geschädigt.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Am Morgen des 7. Dezember 2015 habe sie eine tödliche Dosis zu sich genommen. Die 22-Jährige starb an einer Lungenembolie und einem Hirnödem im Krankenhaus. Die Angeklagten sollen im Verfahren geschwiegen oder die Vorwürfe zurückgewiesen haben.

Ob der Prozess ungehindert fortgesetzt werden kann, ist allerdings offen: Ein Anwalt beantragte die Aussetzung des Verfahrens: „wegen der dramatischen Corona-Lage“. Die Richter wollen darüber bis zum 9. November entscheiden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false