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Noch ist der Friedrich-Wilhelm-Platz in Friedenau von zahlreichen Bäumen umgeben.

© ullstein bild - EUROLUFTBILD.DE

Fraktionsklausur in Prag: Grüne: Ab 2030 keine Verbrennungsmotoren im S-Bahnring

Die Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus hat viele Klimaschutz-Ideen. Aber in der Koalition sind davon bisher wenig umgesetzt worden.

Von Sabine Beikler

Tropisch heiße Nächte, Fischsterben, verdorrte Bäume, Zunahme von Starkregen und gesundheitlichen Belastungen: Die Folgen des Klimawandels sind in Berlin schon spürbar. Und es wird noch dramatischer, wenn nicht gehandelt wird. Berlin wandert klimatisch jedes Jahr 20 Kilometer weiter nach Süden und liegt im Jahr 2100 auf der Höhe von Toulouse in Südfrankreich.

Diese Fakten erklärte Fritz A. Reusswig vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) am Freitag auf der Fraktionsklausur der Berliner Grünen in Prag. Mit einem umfänglichen Klimaschutzpaket will die Partei gegensteuern. Bis 2030 sollen Verbrennungsmotoren in der Innenstadt verboten, Solaranlagen auf Dächern von Neubauten verpflichtend werden oder Boni von Vorständen landeseigener Betriebe an die Realisierung von Klimaschutzzielen gekoppelt werden. „Ambitionierte Ziele“ nennt Umweltsenatorin Regine Günther (Grüne) diese Maßnahmen, die die Fraktion beschlossen hat. Ob diese Ziele wirklich umgesetzt werden können? Chefsache ist Klimapolitik in Berlin bisher nicht.

Beispiel Gebäudewirtschaft: Private, öffentliche und industrielle Gebäude machen in Berlin rund 26 Prozent der gesamten CO2-Emission von jährlich 16,9 Millionen Tonnen aus. Aber die Sanierungsrate liegt bei dürftigen 0,9 Prozent. Sie müsste auf mindestens 2,6 Prozent erhöht werden, damit Berlin das Ziel erreicht, bis 2050 eine klimaneutrale Stadt zu sein.

Die Sanierungsfahrpläne für die öffentlichen Gebäude sind noch nicht einmal fertig – obwohl sie schon 2030 klimaneutral sein sollen. „Vorzeigeobjekte“, wie die Grünen die Landesimmobilien gern präsentieren würden, sind die meisten unsanierten Gebäude längst nicht.

Alle Dächer von Neubauten sollen verpflichtend Solardächer erhalten

Die Grünen wollen dafür die „Mittel des Berliner Energie- und Klimaschutzprogramms verstärkt nutzen“. Doch von dem bereitstehenden Geld, 94 Millionen Euro im Haushalt und im Landes-Investitionsfonds Siwana, wurden bisher nur 1,35 Millionen Euro ausgegeben.

Senatorin Günther und auch der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) versicherten beide schon 2018 schriftlich in einem Bericht an das Abgeordnetenhaus, dass sie den Mitteleinsatz deutlich erhöhen wollten. Passiert ist seitdem offenbar nicht viel. Die Berliner Immobilien Management GmbH (BIM) ist maßgeblich für die Sanierung der 5000 landeseigenen Gebäude verantwortlich.

Stattdessen sollen alle Dächer von Neubauten verpflichtend Solardächer erhalten. Diese Solarpflicht hatten die Grünen bereits auf ihrem Parteitag im April verabschiedet. Das Potenzial wäre mit 2400 Hektar oder einer Fläche von gut 3600 Fußballfeldern durchaus beachtlich. Der Masterplan Solarcity, für den die Wirtschaftsverwaltung federführend ist, soll im Herbst vorliegen. Wie so eine Solarpflicht jedoch umgesetzt werden soll und ob sie in der Koalition eine Mehrheit findet, ist noch völlig offen.

Auf Landesebene wollen die Grünen neue Wege gehen

Die Grünen wollen auch ein Erneuerbare-Wärme-Gesetz installieren, das Eigentümer verpflichtet, bei einem Austausch alter Heizungen nur neue Anlagen mit einem Mindestanteil von erneuerbaren Energien zu berücksichtigen. Zum Tragen kommen können Solarthermie, Wärmepumpen oder Fernwärme aus erneuerbaren Energien. „Das Gesetz kann ein wichtiger Baustein sein“, sagte Fraktionschefin Silke Gebel. Man müsse auf Landesebene neue Wege gehen.

Die vorgeschlagene Koppelung der Boni von Vorständen landeseigener Betriebe dürfte nicht bei allen Managern Begeisterungsstürme hervorrufen. Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) wies darauf hin, dass die Boni der Vorstände von BSR, BVG oder den Wasserbetrieben schon jetzt an den erreichten Klimaschutzzielen gemessen werden.

Das könne 30 bis 40 Prozent der Zulagen ausmachen. Bei den Wasserbetrieben sind das zum Beispiel die Investitionen in Regenwasserbecken oder die Modernisierung der Kläranlagen. Wasserbetriebe-Chef Jörg Simon erhält ein Jahresgehalt von rund 252 000 Euro, gut 124.000 Euro davon machen die Zulagen aus.

Klimapolitik ist kein Spaziergang

Boni bei der BSR werden zum Beispiel an dem Ausweitungsgrad der Biomülltonnen oder an der Einführung von elektrobetriebenen Kleinkehrmaschinen gemessen. Pop sagte dem Tagesspiegel, es wäre „wünschenswert“, wenn die Zulagen für die Chefs der sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften auch an die erreichten Klimaschutzziele gekoppelt wären.

Der Straßenverkehr ist für 43 Prozent der CO2-Emissionen in Berlin verantwortlich. Die urgrüne Forderung nach Einführung einer City-Maut wurde von der Fraktion verabschiedet. Die SPD hatte bereits signalisiert, dass das mit ihr nicht zu machen sei. Klimapolitik sei eben „kein Spaziergang für uns“, sagte Senatorin Günther. Da müsse noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden.

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