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Berlin: Freunde der Familie Aydin schreiben an den Innensenator

Unterstützer der von Abschiebung bedrohten Kurden antworten Ehrhart Körting auf dessen Stellungnahme im Tagesspiegel

Innensenator Ehrhardt Körting hat am 10. März im Tagesspiegel begründet, warum die Familie Aydin in die Türkei abgeschoben werden soll – entgegen der Empfehlung der Härtefallkommission, die eine Duldung empfohlen hatte. Darauf reagiert der Unterstützerkreis der Familie, dem auch Lehrer der beiden Schulen angehören, die die Kinder der Familie Aydin besuchen. Den Brief der Unterstützer an den Innensenator dokumentieren wir hier.

Sehr geehrter Herr Dr. Körting,

alle Beteiligten, mit denen wir in letzter Zeit über Sie und die Familie Aydin gesprochen haben, sagten uns, dass Sie kein Hardliner seien, dass Sie Ihre Fälle ruhig und besonnen entscheiden, es sich niemals leicht machten. Nach Ihren Ausführungen im Tagesspiegel können wir das bestätigen. Wir glauben jedoch weiterhin, dass Sie nur eine Seite der berühmten Medaille sehen. Wie so vieles kann auch die Geschichte der Familie Aydin von verschiedenen Seiten betrachtet werden. Wir interpretieren die Fakten anders.

Sie sagen, die meisten Menschen kommen aus ökonomischen Interessen zu uns. Wir sagen, Feyyaz Aydin wurde in der Türkei regelmäßig verhaftet und gefoltert, weil er Lebensmittel an seine kurdischen Landsleute lieferte. Seine Narben sind bis heute zu sehen. Er wurde verfolgt und drangsaliert, weil er Kurde ist. Mit Ökonomie hat das wenig zu tun.

Sie sagen, Asylverfahren ziehen sich über Jahre in die Länge und werden oftmals bewusst herausgezogen. Wir sagen, die deutsche Politik hat an dieser Stelle keine guten Gesetze gemacht. Was können die Aydins dafür?

Sie fragen, ob öffentliches Interesse besteht, wenn jemand Straftaten begangen hat, ihn hier zu behalten. Wir sagen: Die Aydins gehören nicht zu den Familien, die ihre Kinder in räuberischen Gangs durch Berlin ziehen lassen. Wenn jemand in dieser Familie einen Fehler gemacht hat, können nicht alle dafür büßen. Das nennt man Sippenhaft.

Sie fragen nach dem Schulbesuch der Kinder und deren Leistungen. Wir sehen: die Kinder sind bislang ganz normale Schüler gewesen, alle haben Abschlüsse geschafft, sprechen besser Deutsch als viele Gleichaltrige mit deutschem Ausweis. Doch wer kann in Ruhe lernen, wenn er nicht weiß, in welchem Land sein Leben weitergeht?

Sie sprechen von erkrankten Älteren, die auf Transferleistungen angewiesen sind. Wir sehen Vater und Mutter Aydin, die vor Sorgen um ihre Familie krank werden. Depressionen können durch schweren Stress kommen und durch großes Glück auch wieder verschwinden.

Sie sprechen von schlecht bezahlten Putzjobs, die keine Arbeitsgrundlage darstellen. Wir haben es schriftlich, dass der Vater am 17.4.2006 eine Stelle als Fahrer in einer Spedition antreten kann. Das war früher sein Beruf, den deutschen Führerschein besitzt Feyyaz Aydin schon. In unserem Land kann heute niemand mehr garantieren, dass er bis zur Rente Arbeit hat. Ausgewiesen wird man dafür in der Regel (noch) nicht.

Sie sprechen von Herz und Vernunft, die Sie ernsthaft und lange gegeneinander abwägen müssen, ob Sie es wollen oder nicht. Wir sagen, die beiden muss man nicht gegeneinander abwägen, sondern sie stehen auf der selben Seite. Unser Herz sagt uns, dass Kinder, die hier geboren sind, nach 17 Jahren ihre Heimat hier haben. Unser Verstand sagt, dieses Land braucht junge Menschen, Menschen, die sich integrieren und hier mitmachen wollen. Die Aydins und ihre Kinder sind solche Menschen.

Svenja Pelzel, Gerd Fittkau, Barbara Wilke, Oliver Tempel in Vertretung für den gesamten Unterstützerkreis

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