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Berlin: Friedensgespräche in der Mieterküche

Im Neuköllner Rollbergviertel ist Ruhe eingekehrt. Quartiersmanagement, Bewohner und Polizei arbeiten eng zusammen – und essen sogar gemeinsam

Für den Bezirk Kreuzberg sind Aussagen wie diese alarmierend: „Das Quartiersmanagement ist nicht für uns da“, sagt Senol Kayaci, „sondern nur für die Künstler und Kreativen im Kiez“. Senol ist einer der Wortführer im Wrangelkiez. Nicht, weil der 31-Jährige mit türkischen Wurzeln mit Gewalt auf Probleme reagieren würde – sondern weil er mit Graffiti-Kursen und einem Rap-Label die Kinder und Jugendlichen vor Ort erreicht.

Trotz der Kritik und den Gewaltausbrüchen in Kreuzberg lehnt das Quartiersmanagement im Wrangelkiez eine Stellungnahme ab: „Sie werden nächste Woche von uns hören“, heißt es. Versagt die Einrichtung ausgerechnet da, wo sie gefragt ist? „Es gibt Kommunikations- und Informationsprobleme, die ich sehr ernst nehme“, sagt dazu Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne), der die beteiligten Parteien jetzt zu einem Krisengespräch eingeladen hat.

Neben Kreuzberg schwelt die Gewalt auch in Neukölln. Doch dort zeigt das Beispiel Rollbergviertel, wie gut ein dicht geknüpftes Netzwerk aus Bürgern und Polizisten zusammen mit Vereinen und Quartiersmanagern funktionieren kann.

Ohne hartes Durchgreifen geht das nicht immer. So hatten zwei Jugendliche den Platz im Rollbergviertel unter Kontrolle. Sie pöbelten Passanten an und zückten bei Streitigkeiten das Messer. Doch die Wohnungsbaugesellschaft Stadt + Land, die Quartiersmanager und die Polizei reagierten: Sie erteilten den Randalierern Platzverbot. Sie sprachen mit deren Eltern, schickten die Gewalttäter für ein halbes Jahr aufs Land. „So haben wir uns den öffentlichen Raum zurückerobert“, sagt Kiezmanagerin Renate Muhlak. Das harte Durchgreifen sprach sich unter den Jugendlichen herum – und schreckte ab. Diese Taktik ist neu: „Wir hatten früher Sozialarbeiter, die auch bei Straftaten die Jugendlichen nicht anzeigen wollten“, sagt Muhlak. Doch die bräuchten „Regeln und Vorbilder“.

Dass die Regeln eingehalten werden, dafür ist im Rollbergviertel auch die Polizei zuständig. Doch sie greift nicht erst bei Straftaten ein, sondern mischt überall mit. „Sie bietet Fitnesstraining an“, sagt Ernst Busch, Leiter des Kieztreffpunktes Lessinghöhe. Bei Fußballturnieren kickten Polizisten. Die Beamten kennen dadurch fast alle Jugendlichen. Gewalt sei im Kinder- und Jugendzentrum selten, so Busch, „und es gibt nur wenige, an die man nicht herankommt“. Leider seien dies oft Intensivtäter. Im Zentrum aber hielten auch sie sich an die Regeln: Keine Gewalt, kein Rassismus, kein Graffiti.

Auch für die ganz Kleinen gibt es im Rollbergkiez Angebote. Zum Beispiel im Arabischen Kulturinstitut. Dessen Mitarbeiter Abdul Ali sagt: „Die Herkunft spielt hier keine Rolle.“ Es seien arabisch-, türkisch-, russisch- und natürlich deutschstämmige Kinder bis zum Alter von 14 Jahren darunter. Sie werden hier bei den Hausaufgaben unterstützt, es wird gemalt, gebastelt und gefeiert. Kurzum, „die Kinder langweilen sich bei uns nicht“, sagt Ali. Auch viele Eltern kämen vorbei. Mitarbeiter helfen bei Behördengängen, übersetzen bei Elternabenden und schlichten Nachbarschaftskonflikte. Das Erfolgsrezept für den Kiez? „Die gute Vernetzung von Angeboten für Kinder, Jugendliche und Erwachsene“, sagt Institutsleiter Nazar Mahmuud.

Zu den Angeboten zählt auch das Gemeinschaftshaus Morus. Jeden Mittwoch heißt es dort: „Mieter kochen für Mieter“. Zu Besuch ist auch regelmäßig Prominenz: „Wowereit hat hier schon mal gekocht und auch Biolek“, sagt Frank Bourgett, Leiter des Hauses. Beim gemeinsamen Essen soll die Nachbarschaft ins Gespräch miteinander kommen. „Vorurteile haben viele und die kann man nur im Dialog ausräumen“, sagt Bourgett. So sitzen Deutsche, Jugoslawen, Afrikaner und andere Einwanderer zusammen am Tisch – „auch mit Polizeibeamten“, sagt Bourgett.

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