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In Hamburg und München gibt es schon Friedhöfe für lesbische Frauen – und nun auch in Prenzlauer Berg.

© AFP

Friedhof für Lesben in Prenzlauer Berg: Verbunden über den Tod hinaus

In Hamburg und München gibt es schon Friedhöfe für lesbische Frauen – und nun auch in Prenzlauer Berg. Sie gründen ihre letzte Ruhestätte auf einer alten Grabanlage. Ein Besuch an der Greifswalder Straße.

Mann sollte es nicht persönlich nehmen, dass Berlin jetzt einen Lesbenfriedhof hat. Die Anlage auf dem schönen, teilweise verfallenen Friedhof Georgen-Parochial I an der Greifswalder Straße hat nichts Abgrenzendes, allenfalls etwas Ausgrenzendes. „Dieses Gelände hat keinen Zaun!“, sagt sehr entschieden Astrid Osterland, eine der Initiatorinnen des Lesbenfriedhofs. Es soll ganz einfach Gemeinschaft stiften. Das Projekt Lesbenfriedhof sei entstanden, „weil wir unsere Verbundenheit über den Tod hinaus dokumentieren wollen“.

Zunächst aber dokumentierten rund 70 Frauen jeden Alters ihre Freude und auch ihre Feierfreude auf den vierhundert Quadratmetern Friedhof, die verwaltungstechnisch nun als „Gemeinschaftsbestattungsfläche der Stiftung „Sappho Frauenwohnstift“ gehören. Ein Chor sang, der Reihe nach berichteten die Gründerinnen des Projekts vom Warum und Wie und von der juristischen Konstruktion zwischen der Kirche, der Stiftung Sappho und dem bundesweiten Frauenprojekt „Safia – Lesben gestalten ihr Alter“.

Die Bank hat selbstverständlich eine Schreinerin gebaut

Das Areal der lesbischen Frauen liegt mitten auf einem Friedhof voller alter Erbbegräbnisse wie dem der Familie Hermann Bötzow, der den schönen Beruf des Brauereibesitzers ausübte, und Gemeinschaftsgräber – und so ist es im Grunde auch gedacht. Lesbische Frauen können sich hier mit ihren Lebensgefährtinnen beisetzen lassen, sie wissen, dass sie im Tod nicht angewiesen sein werden auf Familien, von denen sie sich vielleicht entfernt haben – oder die sich von ihnen. Und sie können auf der neuen, fest installierten und selbstverständlich von einer Schreinerin gebauten Bank an tote Freundinnen denken.

Letzte Ruhe auf dem Frauenfriedhof. 2009 sei die Idee eines Friedhofsprojekts aufgekommen, sagte Hilde Heringer, eine der Initiatorinnen. „Safia“ steht für „Selbsthilfe allein lebender Frauen im Alter“, 500 Frauen sind bundesweit mit dem Projekt verbunden.
Letzte Ruhe auf dem Frauenfriedhof. 2009 sei die Idee eines Friedhofsprojekts aufgekommen, sagte Hilde Heringer, eine der Initiatorinnen. „Safia“ steht für „Selbsthilfe allein lebender Frauen im Alter“, 500 Frauen sind bundesweit mit dem Projekt verbunden.

© Mike Wolff

2009 sei die Idee eines Friedhofsprojekts aufgekommen, sagte Hilde Heringer, eine der Initiatorinnen. Safia steht für Selbsthilfe allein lebender Frauen im Alter, 500 Frauen sind bundesweit mit dem Projekt verbunden.

In Hamburg und München gibt es, so Heringer, ähnliche Vorhaben. Der „Garten der Frauen“ auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg erinnert mit historischen Grabsteinen an bedeutende und bekannte Hamburgerinnen – und er bietet Beisetzungsmöglichkeiten in Gemeinschaftsgrabanlagen an den historischen Gedenksteinen.

Auf dem neuen Friedhof in München-Riem bietet die Genossenschaft FrauenWohnen ihrer Internetseite zufolge die Möglichkeit der Beisetzung „in einem gemeinsamen Gräberfeld“. Davon haben sich die Safia-Frauen anregen lassen – mit dem Unterschied, dass sie die Anlage auf dem Friedhof Georgen-Parochial I selbst gestalten konnten und können.

Die Wege erinnern an ein keltisches Symbol

Für 15000 Euro aus eigenem Vermögen – es seien „keine öffentlichen Gelder geflossen“, betont Astrid Osterland – ließen sie die Fläche auf dem Friedhof neu einfassen und verschlungene Wege anlegen. Die Wege erinnern an ein keltisches Symbol, eine dreifache Spirale, die für den Kreislauf des Lebens steht.

So ist eine Art moderne Gemeinschaftsgrabanlage entstanden, umgeben von alten Familiengräbern – und ein Ausdruck des politischen Selbstverständnis der organisierten Lesben. In einer Erklärung zur Gründung des ersten Lesbenfriedhofs in Berlin heißt es: „Die Frauen von Safia und Sappho gehen in ihrer Beerdigungskultur betont offensive Wege, als Statement gegen die weitgehende Unsichtbarkeit von Lesben in Gesellschaft, Politik und Medien.“ Kaie Haas, eine andere Initiatorin des Friedhofs, nannte ihn in ihrer Rede ein „Denkmal für unsere Gemeinschaft der Lesben“.

80 Gräber können hier angelegt werden. In den ersten beiden Jahren ist er reserviert für Frauen, die bei Safia organisiert waren, danach auch für andere. Entscheidend ist die Satzung der Stiftung Sappho. Särge können ebenso beigesetzt werden wie Urnen, nur anonyme Bestattungen soll es nicht geben. „Bewusst“ habe man sich dagegen entschieden, so eine der Projektgründerinnen – eine anonyme Bestattung passe nicht zu einem Vorhaben, das die „Sichtbarkeit der Lesben erhalten“ solle.

Pfarrer Peter Storck vom Evangelischen Kirchenkreis Berlin Stadtmitte erinnerte daran, dass die Kirche offen war und sein wolle für andere Beisetzungsformen neben dem klassischen Familiengrab, an dem die Angehörigen eines Toten zusammenkommen können, um zu trauern und sich zu erinnern. So seien neben diesen Gräbern etwa die Gemeinschaftsanlagen für Diakonissen entstanden, auch dies Lebensgemeinschaften, die im Tod verbunden bleiben wollten. Heute sei die Kirche offen für Lebensformen, die anders sind als klassische Familien – und auch offen für „neue Abschiedsformen“.

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