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Berlin: "Friedliche Koexistenz" mit Stalinisten

Stilles Gedenken und schrille Signale - bei der Ehrung für die ermordeten Sozialisten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht am Sonntag war beides nebeneinander zu erleben. Auf dem Friedhof Friedrichsfelde legte die PDS-Führung Kränze nieder, zugleich wurden auf dem Demonstrationszug große Fotos von Stalin, Lenin, Marx und Engels wie Ikonen durch die Straßen getragen.

Stilles Gedenken und schrille Signale - bei der Ehrung für die ermordeten Sozialisten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht am Sonntag war beides nebeneinander zu erleben. Auf dem Friedhof Friedrichsfelde legte die PDS-Führung Kränze nieder, zugleich wurden auf dem Demonstrationszug große Fotos von Stalin, Lenin, Marx und Engels wie Ikonen durch die Straßen getragen. Auch viele PDS-Mitglieder marschierten mit. Die künftige Regierungspartei PDS schweigt dazu.

Dass die Stalin-Transparente in den Fernsehbeiträgen zusammen mit den kranzniederlegenden PDS-Funktionären Gregor Gysi, Stefan Liebich und Gabi Zimmer zu sehen waren, findet der Sprecher des Berliner PDS-Landesvorstandes, Axel Hildebrandt, misslich. Eine Distanzierung sei aber überflüssig. Seine Partei habe schließlich wie in jedem Jahr nur die Totenehrung auf dem Friedhof angemeldet, nicht aber den Gedenkmarsch. "Solche Transparente sind einer der Gründe, weshalb wir die Demonstration nicht anmelden", sagt Hildebrandt: "Wir sehen diese Leute erst, wenn sie auf den Friedhof kommen." Eine Möglichkeit, diese Demonstranten optisch auf Distanz zur PDS zu halten, gebe es nicht.

Ob es der PDS als Koalitionspartner der SPD angesichts der aktuellen Debatte um die historische Schuld der SED an Mauerbau und Diktatur nicht anstünde, eine klare Trennungslinie zu Stalin zu ziehen? Die Bundestagsabgeordnete und langjährige PDS-Landesvorsitzende Petra Pau verweist auf die jahrelange innerparteiliche Auseinandersetzung über radikale Gruppen, die ebenfalls für "Rosa und Karl" demonstrieren. Sie fände die Stalin-Bilder "völlig deplatziert" und wolle damit nichts zu tun haben. Zugleich sei die PDS "aber gut beraten, demokratische Sitten nicht zu opfern". Die Verfassung garantiere Demonstrationsfreiheit. Deshalb könne die PDS am Gedenktag für Luxemburg und Liebknecht "nur friedliche Koexistenz herstellen". Man wolle die radikalen Gruppen auch "nicht aufwerten dadurch, dass man sie durch eine Distanzierungserklärung adelt", argumentiert Petra Pau.

Der Polizei, in deren Terminkalender der Sonntag Mitte Januar ebenfalls eine feste Größe ist, können die Bilder egal sein. Denn während das Zeigen etwa von Nazi-Porträts als "Propaganda-Delikt" verfolgt werden kann, ist Stalin nicht verboten. Auch die Staatsanwaltschaft habe das Verhalten der Polizei vom Sonntag für korrekt erklärt. Getragen wurden die Transparente von der türkischen "Marksist Leninist Komünist Parti", deren Website neben einer roten Fahne mit Hammer und Sichel auch die Köpfe von Marx, Engels, Lenin und Stalin zieren. Das Zentralkomitee der Partei ruft Türken und Kurden zum gemeinsamen Kampf gegen "Kollaborateure der USA" auf und bezeichnet die Vereinigten Staaten als den "barbarischsten und blutrünstigsten Staat der Erde". Laut Verfassungsschutz hat die MLKP deutschlandweit rund 600 Mitglieder; in Berlin sollen es etwa 25 sein.

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