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Berlin: Für immer verschlüsselt

Dem Denkmalamt graut’s vor dem Valentinstag. Denn Verliebte hängen gerne Schlösser an die Weidendammer Brücke und werfen den Schlüssel in die Spree.

117 Jahre lang führt sie die Friedrichstraße nun schon über die Spree, die stolze Weidendammer Brücke. Als drittälteste ihrer Art hat sie einiges getragen und so manches über sich ergehen lassen. Auch heute am Valentinstag, wenn wieder ein paar bunte Liebesschlösser mehr das Geländer zieren werden. Denn gerade Liebende funktionieren die Brücke gern zu einem Ort der vermeintlichen Ewigkeit um. Ein Brauch – wahrscheinlich aus Rom – ist schuld, dass überall dort, wo die massiven Träger es zulassen, kleine bunte Schlösser hängen. In verschiedensten Varianten. Sie sind ein Zeugnis sich Liebender, die ihre Gefühle besiegeln wollen. Am besten bis in alle Ewigkeit. Denn nachdem sich ein freies Plätzchen am prunkvollen Geländer der Brücke gefunden hat und das Liebesschlösschen fest versiegelt ist, fassen die Verliebten sich an der Hand und werfen den Schlüssel zum Schloss gemeinsam in den Fluss – mit dem Ausruf: für immer!

So steht es zumindest beschrieben in zwei Romanen des italienischen Schriftstellers Federico Moccia. Spätestens seit 2007 hat der auch in Osteuropa bereits bekannte Brauch dann die Brücken der Welt erobert. Zum Leidwesen der Stadtoberen. Woher diese Tradition jedoch genau kommt, vermag niemand zweifelsfrei zu sagen.

Den Liebenden ist das egal. Hauptsache, die Liebe hält. Ganz so romantisch sieht die Stadt Berlin das nicht. Denn spätestens nachdem in Rom ein Laternenpfahl einer Brücke unter der Last der metallenen Schlösser zusammengebrochen ist, zittern die Denkmalpfleger. Auch die Weidendammer Brücke ist denkmalgeschützt, „ein sensibles Bauwerk“, wie die Pressesprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Petra Rohland, sagt. Und sensible Bauwerke muss man schützen. Deshalb patrouillieren regelmäßig Brückenkontrolleure über Berlins Brücken, auf der Suche nach Zeugnissen ewiger Liebe. Ziemlich unromantisch werden sie entfernt – mit Brechstange oder Eisensäge. Der zum Schloss gehörende Schlüssel liegt ja auf dem tiefen Grund der Spree.

Berlin hat viele Einwohner, ständig verlieben oder trennen sie sich. Da kommen einige Schlüssel zusammen. Petra Rohland mag gar nicht daran denken, wie viel verrostetes Metall unter der Brücke im Wasser liegen muss. „Sauberer wird die Spree davon bestimmt nicht.“

Besonders nicht am Valentinstag. Rohland ahnt, dass heute viele Schlüssel dazufallen werden. Dieser romantisch aufgeladene 14. Februar verleitet viele dazu, ein Schlösslein aufzuhängen. Gestern hingen noch etwa 590 Exemplare an der Weidendammer Brücke, heute werden es bestimmt ein paar mehr sein.

Wie viele Liebesschlösser in ganz Berlin hängen, weiß niemand so genau. Dafür sind es zu viele Brücken und zu fleißige Ordnungshüter. Bei den Schlössern verhält es sich also so wie mit der Liebe: Sie kommen und gehen. Vielen gefallen und einigen missfallen sie. Das Einzige, das ziemlich sicher bleibt, ist wohl die Brücke. Und mit ihr der preußische Adler am Geländer, der immer mal wieder eine neue Kette aus Schlössern tragen darf. Ob ihm nun das von Janine und Christoph besser gefällt, oder doch das von Lina und Timo aus dem Jahr 2007 – das werden wir nie erfahren.

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