zum Hauptinhalt

Berlin: Ganz kleines Kino

Das Berliner Kurzfilmfestival wird 25. Ab heute werden mehr als 500 Produktionen gezeigt

Der Trend geht zum Selbstmord. Und zwar zum biederen. „Dieses Mal hatten wir eine richtige Schwemme an eingereichten Beiträgen, in denen ein Suizid gezeigt wird“, sagt Heinz Hermanns. „Da mussten wir aussieben.“ Vor Jahren habe der Trend begonnen, womöglich als Ausdruck einer gesellschaftlichen Grundstimmung. Aber damals seien die Selbstmorde noch „originell“ gewesen, findet Hermanns. Inzwischen brächten sich die Darsteller eher konventionell um, und das könne man dem Publikum nicht zumuten. Zumindest nicht sechs Abende hintereinander.

Heute um 20 Uhr startet das Kurzfilmfestival „Interfilm“ in der Volksbühne. Leiter Heinz Hermanns und sein Team haben mehr als 500 Produktionen ausgewählt, die in den nächsten Tagen in verschiedenen Sälen der Stadt zu sehen sind. Viele internationale Werke sind dabei, aber auch Berliner Filmemacher stellen Arbeiten vor. Die Interfilm ist das zweitälteste Kurzfilmfest Deutschlands, vor 25 Jahren organisierte Hermanns das erste. „Und auch, wenn ich seitdem viel gesehen habe und einiges, was heute als neu angepriesen wird, noch aus den 80ern kenne“, gebe es doch jedes Mal überraschende Beiträge. Dieses Jahr zum Beispiel den österreichischen Animationsfilm „Wurscht“, in dem Wurststücke über die Leinwand laufen. „Ganz zauberhaft und liebevoll arrangiert, aber eben mit Wurst.“ Der Streifen ist so sonderbar, dass er Freitagabend im Rahmen der „Nacht des abwegigen Films“ läuft.

Eine Retrospektive ist dem Italiener Bruno Bozzetto gewidmet. Den kennt man hierzulande vor allem als Schöpfer der Trickfigur Signor Rossi, die mit Hund Gastone in diversen Abenteuern das Glück sucht. Die Interfilm zeigt Bozzettos Lebenswerk – alle Kurzfilme zusammen reichen immerhin für drei mal 90 Minuten.

Als Hermanns 1981 die Interfilm ins Leben rief, wollte er einen Gegenentwurf zu den etablierten Filmfestivals schaffen. Inzwischen ist sie mit 16 000 erwarteten Zuschauern eine Massenveranstaltung, nach der Berlinale das zweitgrößte Filmfest der Stadt. Auch den Rest des Jahres beschäftigt sich Hermanns, eigentlich Politologe, mit Kurzfilmen. Er reist um die Welt, um neue Produktionen zu sichten. Oder er organisiert Festivals in Venezuela, Südkorea und Weißrussland. In China hat er auch schon Filme gezeigt – und war erstaunt, dass es kaum Zensur gab. „Vielleicht ist das ein Vorteil unserer Kunst: Sie wird oft nicht ernst genommen.“ Nur einen einzigen Film durfte er nicht zeigen. Weil das Wort „Eros“ auf der Hülle stand. Das war zwar nur der Vorname des Regisseurs, aber die Behörden ließen sich nicht überzeugen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false