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Berlin: Garantiert unverdaulich

Brigitte Grunert über die Sprache der Politiker

Der Senat hat kürzlich „Eckpunkte für ein kulturpolitisches Gesamtkonzept“ beschlossen. Im Senatspressedienst waren über das „Eckpunktepapier“ des Kultursenators folgende Sätze zu lesen: „Im ersten Teil werden Grundpositionen, zentrale Fragestellungen und Herausforderungen sowie konkrete Handlungsfelder beschrieben. In den Grundpositionen wird auf die Bedeutung der Kultur als erneuerbare Ressource und Zukunftspotential Berlins, auf kulturelle Kompetenz und kulturelle Vielfalt als Basis von Innovation, nachhaltiger Entwicklung und sozialer Kohäsion verwiesen. Zu den beschriebenen Fragestellungen und Herausforderungen zählen u. a. die Hauptstadtfunktion, das Verhältnis von Erbe und Innovation, die Modernisierung kultureller Institutionen und Strukturen sowie die wachsende Bedeutung kultureller Austauschbeziehungen.“

So viel zur Sprachkultur, in diesem Fall des Kultursenators (der womöglich nicht weiß, was ihm sein Pressereferent aufschreibt). Weitere Zitate aus der Presseerklärung über das Eckpunktepapier von Thomas Flierl sollen unseren Lesern erspart bleiben. Dem Senatssprecher wiederum scheint gar nicht aufzufallen, was alles im Senatspressedienst steht, für den er verantwortlich zeichnet. Dort werden ja oft garantiert unverdauliche Informationen veröffentlicht. Unbesehen wird gedruckt, was die Senatoren liefern. Schade um das teure Papier.

Klappern gehört zum Handwerk, wie der Volksmund sagt. Politiker reden gern eindringlich, um sich Gehör zu verschaffen. Also nichts gegen Superlative, aber wir hören nur quallige Wortverstärker, die unsere Ohren betäuben. Es gibt in der Politik kaum noch schlichte Fragen. Nein, Fragestellungen oder gar zentrale Fragestellungen müssen es sein. Es wimmelt überhaupt von diesen zusammengesetzten Substantiven wie Problemlagen, Zukunfts- und Gefahrenpotenzialen, Risikofaktoren oder Wohnungskapazitäten. Man löst auch kein Problem, sondern spricht von Lösungsansätzen oder Lösungsmöglichkeiten. Da ist man bescheiden; schließlich ist manches Problem schwer zu lösen.

Gut, dass das Abgeordnetenhaus die Komödie und das Theater am Kurfürstendamm in ihrem Überlebenskampf unterstützt. Doch was ist ein Antrag der Grünen-Fraktion wert, in dem es heißt, die beiden Bühnen sollten „das Interesse der Investmentgesellschaft geopfert werden“? Also wenn schon, dann dem Interesse der Investmentgesellschaft. Auch vom „Kultursenat“ ist in dem Antrag die Rede. Den gibt es natürlich nicht. Es gibt nur den Senat als Landesregierung, und ihm gehören die Senatoren an, zum Beispiel der Kultursenator.

Preisfrage: Kann man so sprachvergessen mit der Kulturpolitik Staat machen?

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