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Berlin: Gaukler mit Geschmack

Christian Bartmann ist der Chef des Gauklerfests. In der DDR managte er einst die Rockband Karat und holte Hermann van Veen auf sozialistische Bühnen

Hummer, Austern und Champagner; Modellhüte aus Köln und Hampelmänner aus Bremen; Wahrsagerinnen, Feuer spuckende Artisten, Schwert schluckende Magier und meterhohe Stelzenläufer – bis zum 10. August gibt es diese Melange beim Gauklerfest, mittlerweile in der 13. Auflage. Rund 200000 Besucher, wie in den letzten Jahren auch, werden zwischen Lindenoper, Kronprinzenpalais und Friedrichwerderscher Kirche erwartet - im Vorjahr musste wegen Überfüllung zeitweise geschlossen werden.

Seinen Beitrag zur Stadtkultur nennt der „Obergaukler“ Christian Bartmann dieses Fest. Für den Chef der Berliner Gauklerfest GmbH gehören eben nicht nur Opern oder Museen dazu. Der gebürtiger Berliner fühlt sich für seine Stadt mitverantwortlich. „Müllfeste“ mit fragwürdiger Mischung aus Sockenverkäufern, Bratwurst und Rummelplatzmusik habe sie nicht verdient, sagt er und wirft dem Senat vor, diese Angebote dem Wildwuchs zu überlassen. Er selbst kämpft gegen Bürokratie. Die bezirkliche Genehmigung für dieses Gauklerfest bekam er erst in der vergangenen Woche – beantragt hatte er sie im November 2002.

In 13 Jahren ist Bartmanns Haut aber dicker geworden – solche Hemmnisse steckt er heute locker weg. Auch, dass er für die Gourmetstraße erstmal eine metertiefe Baugrube füllen musste, für die sich keiner verantwortlich zeigte. „Die linke Hand weiß oft nicht, was die rechte macht“, so beschreibt Bartmann seine behördlichen Gauklerfest-Erfahrungen.

Unmögliches durchzusetzen, bürokratische und andere Hürden zu umschiffen, hat der 61-Jährige mit dem freundlichen Schnauzbartgesicht schon in der DDR trainiert. Als Sport- und Deutschlehrer, später als Journalist in der Kulturredaktion der Neuen Berliner Illustrierten (NBI). „Nebenbei moderierte ich im Rundfunk und im DDR-Fernsehen, ich hab’ ’ne Menge gemacht“, erinnert sich der gebürtige Treptower. „Irgendwann war die Redaktion fast ein Halbtagsjob.“ Aus dem verabschiedete sich Bartmann, als er ein weiteres „Nebenbei“ an Land zog – er managte die Rockband Karat, die sich gerade „Über sieben Brücken“ an die Spitze sang. Auch Bartmann arbeitete sich weiter vor, gründete eine eigene Agentur und holte Leute wie Hermann van Veen auf sozialistisch reglementierte Konzertbühnen. „Alles immer halb legal“, sagt der Macher.

Die Wende sah er als Chance, nun richtig mit Veranstaltungen loslegen zu können. Doch aus Kulturhäusern wurden „Aldi“-Märkte, oder sie machten dicht. keine idealen Startbedingungen also. 1991 hatte er dann die Idee, das Gauklerfest „in den Osten“ zu holen. Das in den Achtzigern gegründete Stadtfest war von seinem Standort am Los-Angeles-Platz vertrieben worden - eine Bürgerinitiative hatte gegen den Ruhe störenden Lärm nach 21 Uhr protestiert.

Mit zwei Partnern aus dem Westen startete Bartmann 1991 den Wiederbelebungsversuch des Gauklerfestes – damals noch vorm Maxim-Gorki-Theater. Der Versuch kostete ihn fast die Existenz – beruflich und auch gesundheitlich. Bartmann blieb allein auf einem Berg Schulden sitzen und fing sich anschließend eine schwere Meningitis ein. Heute scherzt er: „Immerhin konnte ich eine Zeit lang meine Schulden vergessen.“ Aber auch sein Name war weg. Ein Jahr später machte er weiter – „Die roten Zahlen erforderten ein 2. Gauklerfest.“ Zum „13.“ ist das alles Vergangenheit – leichter ist es nicht.

Kein Cent für die werbewirksame Veranstaltung für Berlin kommt aus einem öffentlichen Topf. Zur Verstärkung hat sich Christian Bartmann jetzt einen Partner ins Gauklerfest-Boot genommen. Mit dem Vogtländer Rainer Wohlthat von „Silvester in Berlin“ veranstaltet er auch die Potsdamer Schlössernacht – schon jetzt „restlos ausverkauft“, freuen sich beide. Da fällt es schwer, sich Bartmann als künftigen Ruheständler vor dem Kamin in seinem Zernsdorfer Häuschen vorzustellen, für das er nach Jahrzehnten seine Wohnung am heutigen Platz der Vereinten Nationen aufgegeben hat.

Heidemarie Mazuhn

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