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Berlin: Gazeteler Rückblick: Vom Hassobjekt zum Gastautor

Jeden Montag im Tagesspiegel: Ein Rückblick auf die in Berlin erscheinenden türkischen Tageszeitungen in Berlin.Einige deutschsprachige Verlage lassen Politiker oder Prominente für eine Zeitung schreiben, von denen der Leser nicht vermuten würde, dass sie ausgerechnet für diese bestimmte Zeitung schreiben.

Jeden Montag im Tagesspiegel: Ein Rückblick auf die in Berlin erscheinenden türkischen Tageszeitungen in Berlin.

Einige deutschsprachige Verlage lassen Politiker oder Prominente für eine Zeitung schreiben, von denen der Leser nicht vermuten würde, dass sie ausgerechnet für diese bestimmte Zeitung schreiben. Auch die rechts-nationale Tageszeitung Türkiye kündigte am Sonnabend auf ihrer Titelseite an, dass der Bundestagsabgeordnete Cem Özedemir (Grüne) bald für das Blatt schreiben wird. Für Türkiye-Leser ist dies ebenfalls eine Überraschung, weil die Zeitung in der Regel genau das Gegenteil von dem schreibt, was der türkischstämmige Politiker über die politische Situation in der Türkei sagt. Ein Beispiel: In der türkischen Presse wird zurzeit eine Diskussion über die Legalisierung eines kurdischsprachigen Fernsehsenders geführt. Sie kann bei Menschen im Westen, die sich für Minderheitenrechte für Kurden in der Türkei einsetzen, durchaus Hoffnungen wecken. Auch wenn es darauf hinausläuft, dass es im Fall des Falles ein staatlich kontrollierter Sender nach dem Modell des staatlichen Kanals "TRT" sein wird. Der Weg in den Berliner Kabelkanal wäre dann nicht weit.

Die liberale Tageszeitung Milliyet befürwortet solch einen Sender. Der für die TRT veranwortliche Minister von der ANAP (Mutterlandspartei), Rüstü Kaz¤m Yücel, der auch für die Menschenrechte in der Türkei zuständig ist, erklärte am Mittwoch in der Zeitung, dass "kurdischsprachige Übertragungen in einem Monat möglich sein könnten." Die ANAP ist im übrigen die Partei des stellvertretenden Ministerpräsidenten der Türkei, Mesut Yilmaz, der vor kurzem gegenüber der Milliyet gesagt hat, dass die Türken, die den EU-Beitritt befürworten, die Aufnahme in die westliche Gemeinschaft nicht behindern sollten. In der Türkei gibt es eigentlich niemanden, der dagegen ist.

Die Boulevardzeitung Hürriyet hält sich bei der Diskussion um den kurdischen Sender zurück. Die Türkiye und die MHP (eine nicht nur aus westlicher Sicht ultrarechte Partei), sind dagegen und sprechen dies auch deutlich aus. "Das könnte Dynamit unter dem Fundament des Staates sein", befürchtete ein Türkiye-Kommentator am Sonnabend. Er verstehe die Bedenken der MHP, die sogar die Diskussion über das Thema als Landesverrat ansehe. Jedoch befürworte er eine besonnene und ausführliche Diskussion. Schließlich würde ein kurdischsprachiger TV auch kurdischen Unterricht mit sich bringen. "Außerdem leben in der Türkei nicht nur Kurden, sondern mehr als 20 andere ethnische Gruppen. Wenn sie alle einen eigenen Sender und Schulunterricht wollen, wie können wir dann die Einheit des Landes sichern?"

Cem Özdemir fordert seit jeher Minderheitenrechte für Kurden in der Türkei. Für solche Ansichten haben ihn die türkischen Zeitungen sogar auf unbestimmte Zeit zum bestgehassten Politiker in Deutschland erklärt. Die Überraschung hielt sich nach einem Gespräch mit ihm jedoch in Grenzen. Er werde für die Türkiye nur einen einzigen Artikel schreiben, sagte er. Aber er überlege sich in der Tat, dauerhafter Kolumnenschreiber einer türkischsprachigen Zeitung zu werden. Die Zeiten ändern sich.

Suzan Gülfirat

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