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Eine leuchtend gelbe Parkbank steht ebefalls vor dem Haus, so wie die „Judenbänke“ früher, als Deutsche nicht mehr mit Juden auf derselben Bank sitzen wollten.

© Kai-Uwe Heinrich

Ort des Erinnerns: Gedenkstele am Haus an der Fontanepromenade enthüllt

Leer und verrammelt stand es da: das Haus an der Fontanepromenade 15. Eine Mutter forschte nach und fand heraus, dass sich in der Nazi-Zeit hier das Zwangsarbeitsamt für die Berliner Juden befand. Nun wurde hier eine Gedenkstele enthüllt und Berlin hat einen neuen Ort des Erinnerns.

Von Fatina Keilani

Das Haus steht leer und wirkt verrammelt. Vielleicht war das der Grund, warum der Sohn von Stella Flatten auf dem Weg zur Kita immer Angst hatte, wenn er daran vorbeimusste, obwohl er mitten im schönsten Kreuzberg war. Seine Mutter, eigentlich Geografin und kein Museumsprofi, wurde neugierig. Sie fing an zu forschen, was es mit dem Haus auf sich hat, und fand Erschütterndes heraus: Hier betrieben die Nazis ihr Zwangsarbeitsamt. Von hier aus wurden Berliner Juden zu niederer und teils entwürdigender Arbeit eingeteilt, nachdem sie ihre Berufe längst nicht mehr ausüben durften – in Abstimmung mit der Gestapo, denn die Deportationszüge sollten rollen, aber die Rüstungsproduktion durfte nicht gefährdet werden.

Am Donnerstag wurde vor dem Haus an der Fontanepromenade 15 nahe dem Südstern nun eine Gedenkstele enthüllt. Bis dahin war es ein langer Weg. Und eine Stele allein wäre Stella Flatten auch nicht genug gewesen. Sie ging an die Sache heran wie ein Ausstellungsprofi, drehte gemeinsam mit der Filmemacherin Christina Voigt einen neunminütigen Dokumentarfilm, der Fotograf Martin Albrecht machte Bilder im Inneren des Hauses, und die Künstlerin Liane Lang inszenierte einen weiteren Film.

„Meine Recherche hatte im Internet begonnen, aber dort stand nicht viel“, sagt Stella Flatten. „Dann habe ich mir den Schlüssel zum Haus ausgeliehen und bin hineingegangen. Es ist drinnen so, als ob ein zweites Haus hineingebaut worden wäre. Ein Lichtschalter funktioniert zum Beispiel, der andere nicht. Ist das der Nazi-Lichtschalter? Dadurch lebt das Ganze weiter“, sagt Flatten. So eine Gedenkstele ist da viel zu abstrakt. Da habe sie die Idee mit der Bank gehabt. Eine leuchtend gelbe Parkbank steht nun vor dem Haus, so wie die „Judenbänke“ früher, als Deutsche nicht mehr mit Juden auf derselben Bank sitzen wollten. Allerdings bleibt die Bank ebenso wie das dahinter stehende Schild nur bis November.

Nach der Enthüllung der Stele ging der kleine Festakt im Nachbarschaftshaus am Urban weiter; dort wurden die Filme und Fotos gezeigt. Rabbiner Daniel Alter lobte in einer Ansprache die Art des Gedenkens, das eher ein privates Erinnern sei als das öffentliche Gedenken, das oft zu abstrakt bleibe. Wer die Filme noch sehen möchte, kann das derzeit auch im Deutschen Historischen Museum im Rahmen der kostenlosen Ausstellung „Zerstörte Vielfalt – Berlin 1933-1938“ tun. Stella Flatten lernte erst im Rahmen des Projekts, was alles zu beachten ist. Ihr Film zum Beispiel wurde durch eine Stiftung gesponsert, so dass sie die Rechte an dem Werk nicht hat. Sie kann ihn also nicht beliebig oft vorführen. Stapelweise Verträge mussten unterzeichnet werden.

Das Internet erwies sich bei den mühsamen Recherchen als Wunderinstrument. Von Berlin aus konnten Flatten und Voigt sämtliche Interviews der Shoah Foundation in Los Angeles abrufen. Dank einer verschlagworteten Transkription fand sich dann auch noch einiges zur Fontanepromenade.

Das Gebäude ist hübsch. Erbaut 1906, mit Schnörkeln an der Fassade – es wäre ein idealer Ort für ein Café mit angeschlossener Buchhandlung. Das Haus gehört den Mormonen, es steht aber schon seit 2011 zum Verkauf. Die Gemeinde hat sich vor Jahren aufgelöst.

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