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Berlin: Gefahr im Supermarkt: Junge verlor Finger im Einkaufswagen-Aufzug

BERLIN .Die Spezialisten des Unfallkrankenhauses haben bei dem neunjährigen Kevin nach dem schrecklichen Unfall in einem Einkaufszentrum drei Finger der linken Hand retten können.

BERLIN .Die Spezialisten des Unfallkrankenhauses haben bei dem neunjährigen Kevin nach dem schrecklichen Unfall in einem Einkaufszentrum drei Finger der linken Hand retten können.Der Junge war am Montag abend beim Spielen mit der Hand in eine Anlage geraten, die Einkaufskörbe befördert.Hand und Unterarm wurden völlig zertrümmert.Zwei Finger waren so zermahlen, daß ein Chirurgenteam diese in der achtstündigen Notoperation nicht retten konnte.Die Polizei schließt Fremdverschulden aus.Jedoch fehlten Warnhinweise.Das Kind war ohne Begleitung im Kaufzentrum Siemensstadt.

Kevin war mit einem Notarztwagen ins Virchow-Klinikum gefahren worden, wurde jedoch schnell ins Unfallklinikum Marzahn verlegt, das auf abgetrennte Glieder spezialisiert ist und rund um die Uhr operationsbereit ist.Chefarzt Andreas Eisenschenk operierte mit zwei Kollegen bis morgens früh um fünf.Das Team diagnostizierte zehn Brüche, ausgerissene Finger, zerrissene Sehnen und Gefäße.

Nach Angaben des zuständigen Polizeiabschnitts 21 war die Mutter des Neunjährigen nicht mit im Einkaufszentrum.Sie wurde nach dem Unfall von einer Funkstreife von ihrer Wohnung ganz in der Nähe abgeholt und ins Krankenhaus gefahren.Die Kripo wurde nicht eingeschaltet, weil offensichtlich kein Fremdverschulden vorliegt, sagte ein Beamter.Es sei ein tragisches Unglück, aber letztlich keine Sache für die Polizei, hieß es auf dem Abschnitt.

Rolltreppen und Fahrsteige sind nach Auskunft des Tüv sehr selten Unfallursache.Bezogen auf die Zahl der beförderten Menschen sei es das sicherste Verkehrsmittel, sagte Tüv-Sprecher Ernst Becker, sicherer als die Eisenbahn."Wenn etwas passiert, ist es immer eigenes Verschulden." Ein Kind, das fällt, könne mit seinen schlanken Fingern jedoch in die Abweiser am Ende der Fahrtreppe geraten.Deshalb sei es wichtig, sich festzuhalten, da die Treppen bei einem Notstopp sehr abrupt stehenbleiben.Wichtig sei auch, die Vorschriften zu beachten, also Kinder nicht alleine auf die fahrenden Stufen zu lassen und Hunde gar nicht.

Nach Angaben des Tüv und des Landesamtes für Arbeitschutz handele es sich bei der Siemensstädter Anlage um ein sehr seltenes Modell, heutzutage könnten Kunden mit ihrem Einkaufswagen den Fahrsteig betreten.Die Räder verklemmen sich bei diesen modernen Anlagen mit der Riffelung.Damals gab es diese Klemmtechnik noch nicht.Spandaus Baustadtrat Scheunemann sagte, daß es bei der Anlage in der Vergangenheit keine Zwischenfälle gegeben habe.Daß Warnschilder fehlten, wußte die Bauaufsicht des Bezirkes nicht.

Überhaupt sind Unfälle mit fahrenden Treppen oder Steigen sehr selten.Vor drei Jahren geriet eine junge Frau in Köln mit ihren langen Haaren in eine Rolltreppe, wobei sie mitgeschleift und verletzt wurde.Die Euronorm EN 115 legt fest, daß Fahrtreppen 0,75 Meter pro Sekunde schnell sein dürfen.Die Anlagen werden jährlich vom TÜV überprüft.

Warnschilder am Aufzug fehlten

In der Noppenkette verfangen

SPANDAU (hsp).Der Minimal-Markt, vor dem sich der Unfall am Dienstag ereignete, ist im Untergeschoß des Kaufzentrums Siemensstadt.Der Aufzug für die Einkaufswagen wurde 1976 installiert.Man schiebt seinen Einkaufswagen an den Aufzug heran, dann greifen von beiden Seiten derbe Plastiknoppen in das Fahrgestell des Wagens.Diese Noppen sitzen auf je einer Kette, welche den Wagen auf einer schiefen Ebene nach oben ziehen.Die Kunden fahren daneben auf einer normalen Rolltreppe.Oben verschwinden die Noppen seitlich in der Verkleidung und geben den Einkaufswagen wieder frei.Wegen der Noppen ist eine relativ große Öffnung in der Verkleidung nötig.Genau die wurde dem Neunjährigen zum Verhängnis.

Um 18.30 Uhr hatte er sich noch in einer benachbarten Lottoannahmestelle nach dem Preis eines Loses erkundigt.Wenig später hörte die Verkäuferin einen markerschütternden Schrei.Dann sei ein junger Mann in den Lotto-Laden gestürmt, hätte nach der Feuerwehr und nach Werkzeug verlangt.Gemeinsam hätten sie versucht, das Kind zu befreien.Das sei jedoch erst der Feuerwehr gelungen.Schon häufiger hätten Kinder an dem Aufzug gespielt, der vom Supermarkt aus kaum einzusehen ist, berichtet die Verkäuferin.

Am Mittwoch waren beide Aufzüge für Einkaufswagen gesperrt.Zu sehen waren noch blutverschmierte Teile.Marktleiterin Grit Friedrich wollte gestern zu den fehlenden Warnschildern keine Stellung nehmen.Ob der Aufzug noch einmal repariert oder ganz stillgelegt werde, müsse die Minimal-Zentrale entscheiden, sagte Frau Friedrich.

JÖRN HASSELMANN

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