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Berlin: Generalbundesanwalt bringt Nazi-Band vor Gericht

Erstmals Anklage aus Karlsruhe gegen rechtsextreme Rockgruppe: Am Dienstag beginnt in Berlin der Prozess gegen „Landser“

Von Frank Jansen

Die Texte sind an Brutalität kaum zu übertreffen. „Kanake verrecke, verfluchter Kanake, du bist nichts weiter als ein Stück Kacke, du bist das Letzte, du bist nur Dreck, du bist nur Abschaum, du musst hier weg“, röhrt Michael R. In einem anderen Song propagiert er Massenmord in Kreuzberg. „Gibt’s überhaupt noch eine Medizin für Kreuzberg? 100000 Liter Strychnin für Kreuzberg. Haut das Zeug ins Leitungswasser rein, dann geht die ganze Bande ein.“ Zwei Beispiele nur, und keineswegs harmlos-pubertäres Jungmännergebrüll. Michael R. und zwei Kumpane genießen den zweifelhaften Ruf, der populärsten Band der rechtsextremen Szene anzugehören. „Landser“ liefert seit mehr als zehn Jahren, so die Eigenwerbung, „den Soundtrack zur arischen Revolution“. Und zu zahllosen Attacken rechter Schläger. Die von der kakophonischen Hetze ausgehende Gefahr erscheint so groß, dass sich Generalbundesanwalt Kay Nehm eingeschaltet hat. Nun wird am Dienstag die Justizgeschichte der Bundesrepublik um ein Kapitel erweitert: Vor dem Kammergericht beginnt der erste Prozess gegen eine vom Generalbundesanwalt angeklagte Neonazi-Band.

Die Liste der Vorwürfe gegen den mutmaßlichen Rädelsführer Michael R. (38), den Bassisten André M. (25) und den Schlagzeuger Christian W. (27) ist lang: Aufforderung zu Gewalt gegen Türken, Afrikaner, Juden, Sinti und Roma, Linke, die Bundesregierung und die Mitglieder des Bundestags und zum Mord an prominenten Nazi-Gegnern wie Michel Friedman. Hinzu kommen Volksverhetzung, Verunglimpfung des Staates, Verwenden von Nazi-Kennzeichen, Verbreiten verfassungswidriger Propaganda, Beleidigungen – und, sozusagen als Summe: Bildung einer kriminellen Vereinigung.

Beinahe wäre der letzte Anklagepunkt weggefallen. Das Kammergericht wies ihn Anfang 2003 zurück, doch Nehm legte Beschwerde beim Bundesgerichtshof ein. Dieser entschied im Mai weitgehend im Sinne des Generalbundesanwalts. Allerdings bleibt das Verfahren gegen einen vierten Angeklagten, Jean-René B. (36), abgetrennt. Gegen den einstigen Unterfeldwebel der Stasi soll am Landgericht verhandelt werden. Dem als äußerst brutal geltenden B. wird unter anderem vorgehalten, er habe einen Zeugen geprügelt, der sich bei der Polizei über den Vertrieb einer „Landser“-CD geäußert hatte.

Produktion und Vertrieb betrieben die Band und ihre Sympathisanten überaus konspirativ. Sicherheitsexperten nennen ein Beispiel: Die CD „Deutsche Wut – Rock gegen Oben“ nahm die Band in einem Studio im US-Bundesstaat Minnesota auf. In einem Presswerk in Alabama wurden 10000 Exemplare hergestellt und dann paketweise in die Niederlande verschickt. Ein Kurier brachte die CDs dann nach Deutschland. Der Druck von Booklet und Cover erfolgte in Frankfurt (Oder). Über Vertrauenspersonen wurden die CDs dann in der rechten Szene verkauft.

Im Oktober 2001 schlug die Polizei gegen „Landser“ zu. Vor allem der Berliner Staatsschutz hatte akribisch ermittelt. Das Resultat: Die bei „Landser“ festgestellte Kombination von geistiger Brandstiftung und fast schon mafioser Konspiration reichte dem Generalbundesanwalt für seine erste, modellartige Anklage gegen eine Nazi-Band. Nun könnten, wie es in Sicherheitskreisen heißt, aus Karlsruhe weitere Verfahren gegen die wuchernde Rechtsrock-Szene folgen.

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