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Berlin: Generationswechsel im „gallischen Dorf“

Am Westrand Berlins treten neue Kandidaten an, um Spandaus Interessen gegen das Land und den Bund durchzusetzen – und 22575 Charlottenburger dürfen mitwählen

Von Rainer W. During

Vor fünf Jahren hatte Spandaus Bezirksbürgermeister Konrad Birkholz (CDU) die „Eingemeindung“ von Charlottenburg-Nord noch eher beiläufig ins Gespräch gebracht. Jetzt ist die Verbindung zumindest bundespolitisch besiegelt. Allerdings sind die Bewohner des Bereiches zwischen Spree, Jungfernheideweg und Saatwinkler Damm wahltechnisch schon immer fremdgegangen. Damit die Wahlkreise möglichst einheitliche Größen hatten, gehörte der Norden Charlottenburgs in der Vergangenheit zu Wedding/Tiergarten. Gemeinsam mit Spandau sind sie jetzt die Nummer 79 – und gehen doch im großen Nachbarbezirk eher unter: 22575 unter 161000 Spandauern.

So ist es nicht verwunderlich, dass der Wahlkampf der Spandauer Kandidaten vor allem in Spandau stattfindet. Nur die Kandidatin der Grünen wohnt nicht hier, sie ist in Wilmersdorf zu Hause. Während in der Kommunalpolitik bereits seit 1995 die CDU das Sagen hat, konnte Wolfgang Behrendt bei der letzten Bundestagswahl 1998 mit 49,9 Prozent eine deutliche Mehrheit für die SPD verbuchen. Auch wenn man das Ergebnis von Charlottenburg-Nord dazurechnet, hätte sich das Ergebnis für den Wahlkreisabgeordneten kaum verändert. Diesmal allerdings präsentiert sich den Wählern ein komplett neues Bewerberteam. Die Kandidaten der fünf im Bundestag vertretenen Parteien bringen es auf ein Durchschnittsalter von 39 Jahren. In den beiden großen Parteien treten mit dem 34-jährigen Swen Schulz (SPD) und dem 29-jährigen Kai Wegner (CDU) zwei gegeneinander an, die bereits auf beachtliche politische Karrieren zurückblicken können. Ihre drei Konkurrenten von PDS, FDP und Grünen scheinen eher chancenlos.

Noch immer versucht das „gallische Dorf“ am Westrand Berlins sich seine Eigenständigkeit zu bewahren. In Senatsverwaltungen wie in den Bundesministerien hat man von der „wehrhaften Republik Spandau“ gehört. Mit den Behörden des Landes und des Bundes liegen die Spandauer regelmäßig im Clinch. Ob es nun um die zögerliche Entwicklung der Brachflächen des ehemaligen Flugplatzes Gatow oder die Übernahme der Straßen in der nur im Schneckentempo wachsenden Landstadt Gatow geht – Bürgermeister und Bezirksverordnete versuchen, die bezirklichen Interessen nötigenfalls auch lautstark durchzusetzen. Trotzdem ist es nicht gelungen, nach dem Verlust an Arbeitsplätzen neue Betriebe anzusiedeln. Nach der Fertigstellung des Shopping-Centers Spandau-Arcaden neben dem neuen Fernbahnhof sind andere bezirkliche Großprojekte ins Stocken geraten. Der Bau der in Siemensstadt geplanten Mehrzweckhalle scheint an die Konkurrenz in Friedrichshain verloren. Auch um das gleich neben dem Rathaus vorgesehene Convention-Center mit dem 1000-Betten-Hotel Marina Havel Tower ist es ruhig geworden. Vor allem die Wasserstadt Spandau kommt nur noch schleppend voran. Auf der historischen Zitadelle, die sich zu einem Kulturzentrum von internationalem Rang entwickelt hat, kann mit den Italienischen Höfen in diesem Jahr immerhin noch ein neuer Veranstaltungsbereich fertig gestellt werden. Eine weitere Sanierung scheint vorerst der Finanzmisere zum Opfer zu fallen. Immerhin: Nebenan konnte kürzlich ein Schleusenneubau eröffnet werden. Davon verspricht sich der Bezirk eine Zunahme des Wassertourismus.

Die Serie über die Wahlkreise und ihre Direktkandidaten begann am 1. September mit Beiträgen über den Wahlkreis 80 (Steglitz-Zehlendorf). Am Montag erschienen Analysen zum Wahlkreis 82 (Tempelhof-Schöneberg). In der gestrigen Ausgabe berichteten wir über den Wahlkreis 78 (Reinickendorf).

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