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Berlin: Gestürmt – und für schön befunden

Der neue Anbau des Architekten Pei lockte fast 10 000 Neugierige ins Zeughaus. Auch heute ist noch Tag der offenen Tür

Die Warteschlange zog sich bis Unter die Linden: Die Berliner nahmen den Zeughaus-Anbau des Stararchitekten Ieoh Ming Pei am Sonnabend auf ihre Weise in Besitz. Fast 10 000 Gäste kamen zum Tag der offenen Tür – auch am heutigen Sonntag ist der Neubau an der Rückseite des Deutschen Historischen Museums noch zu besichtigen. Gestern zeigten sich die Besucher begeistert von dem 54 Millionen Euro teuren Haus. Offiziell eröffnet wird das künftige Museumsgebäude am 24. Mai – jetzt kann man es noch pur auf sich wirken lassen.

Kaum ist wieder einer der hauptstädtischen Bauten fertig, stürmen die Berliner zur Besichtigung. Architekturliebhaber traten über 20 Minuten von einem Bein aufs andere, bis sie den lichten Bau betreten konnten. Dann gab es Getuschel, spontane Gespräche und jede Menge anerkennende Blicke. „Guck mal, wie schön die Treppenstufen seitlich hoch gebogen sind“, raunt ein Besucher seiner Frau zu. Eine Dame fachsimpelt angesichts der eingelassenen Leuchten über „minimalistische Formenspiele“. Und die sich hinter Glas schlängelnde Schneckentreppe erinnert die 73-jährige Käthe Böttcher aus Friedrichshain gar an das Guggenheim-Museum in New York. Dort sitzt auch die Firma, die der in China geborene Pei 1955 gründete.

In Mitte sind es bei der Premiere am Sonnabend zumeist keine Leute vom Fach, die prüfend über die noch unvollendeten Geländer streichen. Wie Christian Laubis, Physiker aus Charlottenburg, der von der Brücke im Inneren die Halle aus Kalkstein, Granit und Sichtbeton bewundert. „Das Gebäude ist spannend, egal von wo aus man es betrachtet.“ Die Leute sind fasziniert. So viele Neugierige hatten sich eingefunden, dass die Frauen am Infocounter sie immer wieder vertrösten müssen. Führungen? Alles voll – bitte warten Sie, bis einer der vier Kollegen kommt, dann geht’s weiter. Auch am heutigen Sonntag ist noch Tag der offenen Tür, von 10 bis 17 Uhr.

Kritische Worte waren kaum zu hören. Martina Röwerkamp, 46-jährige Sozialarbeiterin aus Kleinmachnow, findet „die Decken zu niedrig“. Doch in einem an die Wand geworfenen Video erklärt Pei höchstpersönlich, dass chinesische Architekten nun einmal andere, kleinere Maße schätzen.

„Total irre, wie der Handlauf in die Wand eingelassen ist“, finden die Punks Markus, 32, mit grünen Dreadlocks und Kamera, sowie Fluffy, 28, mit Irokesenschnitt – Exoten im sonst eher gediegenen Publikum.

Annette Kögel

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