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Berlin: Gewalt beim G-8-Gipfel: Geschlagen, bespuckt, beleidigt - Polizei reagierte in Genua gewalttätig

Der 21-jährige Berliner, der bei der Razzia der italienischen Polizei in einer Genueser Schule lebensgefährlich verletzt wurde, ist aus dem Koma erwacht. Am Dienstag konnte seine Schwester ihn erstmals besuchen, sagte sein Vater dem Tagesspiegel.

Der 21-jährige Berliner, der bei der Razzia der italienischen Polizei in einer Genueser Schule lebensgefährlich verletzt wurde, ist aus dem Koma erwacht. Am Dienstag konnte seine Schwester ihn erstmals besuchen, sagte sein Vater dem Tagesspiegel. Er sei bei Bewusstsein und könne sprechen. Ob er bleibende Schäden davontragen werde, sei noch nicht abzusehen. Auch, ob die italienische Staatsanwaltschaft gegen ihn Anzeige stelle und was ihm vorgeworfen werde, sei unbekannt. Die italienische Polizei hatte, wie berichtet, in der Nacht zum Sonntag mit massiver Gewalt eine Schule in Genua geräumt, in der sich Teilnehmer der Demonstrationen gegen den G-8-Gipfel zum Schlafen versammelt hatten. Dabei war der 21-Jährige so schwer am Kopf verletzt worden, dass er ins Koma fiel und notoperiert werden musste.

Die Polizei habe ohne Vorwarnung angefangen, auf die in der Schule Versammelten mit Schlagstöcken einzuprügeln, obwohl diese sofort signalisiert hätten, keine Gegenwehr leisten zu wollen, gab der Vater den Bericht seines Sohnes wieder. Die Schwester, die ihn am Dienstag erstmals besuchen konnte, nachdem die italienischen Behörden ihr dies am Montag noch verweigert hatten, habe erzählt, ihr Bruder stehe unter Polizeibewachung und sei mit Handschellen an sein Krankenbett gefesselt.

Der Vater wollte den deutschen Behörden keinen Vorwurf machen. Sowohl das Generalkonsulat in Mailand als auch das Auswärtige Amt hätten sich bemüht, der Familie zu helfen. Dies bestätigte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele, der am Mittwoch nach Genua geflogen war, um die deutschen Gefangenen in den Krankenhäusern und Gefängnissen zu besuchen. Am Mittwoch sollten die richterlichen Vernehmungen der 58 noch in Haft befindlichen Deutschen stattfinden. Bis 20 Uhr musste diese Haftprüfung aus Fristgründen abgeschlossen sein. Es wurde damit gerechnet, dass anschließend viele Deutsche freigelassen werden würden. Von insgesamt 67 am Wochenende festgenommenen Deutsche waren nach Angaben des Auswärtigen Amtes am Mittwochmittag neun wieder auf freiem Fuß, von den verbliebenen liegen neun in Krankenhäusern.

Unter den Festgenommenen sollen sich rund 20 Berliner befinden. Zu ihnen gehört auch die freie Journalistin Kirsten Wagenschein, die für den Gipfel akkreditiert war. Die Berliner Tageszeitung "Junge Welt", deren Mitarbeiterin sie ist, teilte mit, es gehe ihr "den Umständen entsprechend gut". Sie weise keine physischen Verletzungen auf. Frau Wagenschein nannte allerdings die Umstände ihrer Verhaftung in der Schule und die vorläufige Unterbringung in einer Gefangenensammelstelle "sehr, sehr übel". Ströbele sagte, unabhängig voneinander hätten ihm die Gefangenen, mit denen er gesprochen habe, davon berichtet, dass sie in der Sammelstelle stundenlang an der Wand hätten stehen müssen, dabei geschlagen, bespuckt und beleidigt worden seien.

Außer dem Berliner seien mindestens zwei weitere deutsche Frauen schwer am Kopf verletzt worden, sagte Ströbele, eine von ihnen habe zudem Lungenblutungen. Einem Mann aus Süddeutschland sei der Kiefer gebrochen worden, hieß es aus anderen Quellen. Ein Richter habe ihn inzwischen freigelassen, da Vorwürfe gegen ihn nicht zu bestätigen waren.

Holger Wild

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