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Berlin: Gewalt gegen Polizisten: Mit Äxten und Knüppeln auf Beamten losgegangen

"Heil Hitler" oder "Arschloch", "Schlampe", "Dreckschwein" - auf Polizisten prasselt alles nieder, was sich auch sonst im Bodensatz des Berliner Sprachschatzes befindet. Die Aggressivität geht aber längst über verbale Angriffe hinaus.

"Heil Hitler" oder "Arschloch", "Schlampe", "Dreckschwein" - auf Polizisten prasselt alles nieder, was sich auch sonst im Bodensatz des Berliner Sprachschatzes befindet. Die Aggressivität geht aber längst über verbale Angriffe hinaus. "Immer mehr Gewalttaten und immer mehr Waffen", die gegen die Beamten gerichtet werden, beklagt der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Eberhard Schönberg. Nach einer internen Statistik hat die Polizei allein im Juli dieses Jahres 103 Messer und 94 Schusswaffen sichergestellt. Auch fünf Baseballschläger und zwei Äxte wurden gegen Polizisten gezückt. Nach der jüngsten offiziellen Statistik sind im vorigen Jahr knapp 300 der Beamten im Dienst verletzt worden. Die Zahl der Strafverfahren wegen Widerstandshandlungen, Körperverletzung und Beleidigung von Ordnungshütern stieg heftig an.

"Die Hemmschwelle gegen Polizisten ist so gut wie weg", sagt Schönberg - in seinen Augen ein Abbild der zunehmenden Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft. Wenn man die Einsatzstatistiken der Polizei zum Maßstab nimmt, hat sich dieser Prozess in den letzten Jahren beschleunigt. 1996 hatte die Behörde ihre eigene Anzeigen-Sammlung zu sämtlichen Attacken auf Polizisten ausgewertet. "Nur in Einzelfällen wurden damals Waffen eingesetzt", sagt GdP-Sprecher Klaus Eisenreich heute, "sonst waren das Beleidigungen, Schlagen, Treten, Spucken, Beißen". Jetzt werden immer mehr Messer und andere Waffen gezückt - selbst in banal scheinenden Situationen.

Am 11. Juli dieses Jahres rammte ein 23-jähriger Strausberger, der bei Rot über die Kreuzung gefahren war, auf der Stendaler Straße in Hellersdorf fast einen Funkwagen. Als seine Personalien festgestellt werden sollten, rannte er davon. Die Polizisten folgten. 20 Meter weiter blieb der 23-Jährige plötzlich stehen und holte den langen Holzstiel eines Hammers aus seiner Jacke. Nur weil ihm der Stiel bei der Ausholbewegung aus der Hand rutschte, blieben die Polizisten unverletzt. Erst weitere Beamte konnten den Tobenden fesseln. Nach erkennungsdienstlicher Routine wurde er entlassen - im Einsatzprotokoll der Polizei eine Bagatelle. Warum der Mann einen Hammerstiel bei sich führte: unbekannt.

Nach den tödlichen Gewalttaten gegen Polizisten in Nordrhein-Westfalen und Hessen hatte Polizeipräsident Hagen Saberschinsky im Juni seine Beamten gewarnt: "Ich appelliere an Sie, bei aller Beherztheit auch in Einsatzlagen vorsichtig zu sein, die sich im Vorfeld als scheinbar ungefährlich darstellen. Routine in Einsatzlagen und Unterschätzung möglicher Gefahren gehen häufig zu Lasten der Eigensicherung." Die Aufträge ließen die Gefahren "nicht mehr von vornherein" erkennen. "Lassen Sie sich nicht überrraschen."

Im vorigen Jahr hat die Polizei genau 735 Fälle bearbeitet, in denen sie selbst für ihre Beamten Strafantrag stellte. Das sind 12,9 Prozent mehr als im Vorjahr. Beschuldigt wurden 774 Personen, darunter 339 Ausländer. Die Polizeistatistiker vermerken als auffällig, dass die Deutschen darunter überwiegend (61 Prozent bei den Männern) alkoholisiert waren, die Nicht-Deutschen aber überwiegend nüchtern (nur 28 Prozent bei den Männern). Die Gewaltbereitschaft hielt sich die Waage. Bei beiden "Nationalitätengruppen" gab es 135 verletzte Polizisten. Eine allem Anschein nach besonders "geringe Akzeptanz der Polizei" machten die Beamten bei jugendlichen Ausländern aus. Jugendliche bis zu 30 Jahren stellten bei den nichtdeutschen Beschuldigten 74 Prozent. Ältere Jahrgänge fielen bei den Ausländern dagegen so gut wie gar nicht auf.

Bei den Deutschen hingegen handelten sich immerhin 36 Männer und vier Frauen im Rentenalter einen Strafantrag von beleidigten oder angegriffenen Polizisten ein.

W. Schmidt, H. Toeppen

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