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Sechs junge Männer müssen sich wegen versuchten Mordes verantworten. Sie versuchten, einen Obdachlosen anzuzünden.

© Paul Zinken/dpa

Update

Gewalttat in Berlin-Kreuzberg: Obdachloser angezündet: Hauptangeklagter stand angeblich unter Drogeneinfluss

Sieben Jugendliche hatten im Dezember versucht, einen Obdachlosen im U-Bahnhof Schönleinstraße anzuzünden. Vor Gericht sagen sie, dass sie dem Mann nur "einen Streich" spielen wollten.

Flammen lodern auf, werden schnell größer. Direkt neben dem Kopf eines Mannes, der tief und fest schläft. Es geschieht vor einer Videokamera im U-Bahnhof Schönleinstraße. Dichter Qualm steigt auf. Der Schlafende rührt sich nicht. Beklemmende Szenen. Dann in einem Zug junge Männer in Partystimmung. Einer klatscht, andere lachen. Die Aufnahmen sind im Prozess wegen versuchten Mordes gegen sieben 16- bis 21-jährige Flüchtlinge Säulen der Anklage. Bevor sie am zweiten Tag abgespielt wurden, äußerten sich fünf der Angeklagten.

"Im Kopf berauscht"

Aussagen, in denen ein Angeklagter eine Zündelei zugibt und sich andere weit davon distanzieren. „Es trifft zu, dass ich derjenige bin, der für das Feuer verantwortlich ist“, hieß es in der Erklärung des 21-jährigen Nour N., der als Hauptangeklagter gilt. Nach Alkohol und Rauschgift habe er sich motorisch gut, aber „im Kopf berauscht“ gefühlt. Als sie in der Heiligen Nacht 2016 gegen 2.00 Uhr früh auf die U-Bahn warteten, „bin ich auf die fatale Idee gekommen, mich mit dem Mann auf der Bank zu befassen“. Es sei ein „Spaß, ein Streich“ gewesen. „Ich wollte ihn nur durch ein kleines Feuerchen aufschrecken.“ Zu keinem Zeitpunkt habe er tödliche Folgen billigend in Kauf genommen.

Erst ein Stück Papier, dann zündete N. ein Taschentuch an. Er legte es laut Ermittlungen unmittelbar neben den Kopf des Schlafenden. Die Flammen drohten auf den Mann überzugreifen. Die Jugendlichen aber zogen sich den Bildern zufolge Kapuzen über die Köpfe, gingen schnell weg und stiegen in die nächste Bahn – feixend, amüsiert.

Rettung im letzten Moment

Nour N. behauptete nun: „Erst von der U-Bahn aus habe ich gesehen, dass es doch ein richtiges Feuer gab.“ Nur nach außen habe er sich „cool und lässig“ gegeben. Andere Fahrgäste hatten den Mann auf der Bank geweckt. Ein Zugführer kam mit einem Feuerlöscher zu Hilfe. Der 37-jährige B. aus Polen lag auf seinem Rucksack, der in einer Plastiktüte steckte. Die Rettung für B. scheint im letzten Moment gekommen zu sein.

Mohammad M., ein 18-jähriger Syrer, will keinen Rauch gesehen haben. Die Kapuze habe er übergezogen, um sich von N.s Verhalten abzugrenzen. Khaled A., ebenfalls ein 18-jähriger Syrer, erklärte: „Ich ging in dem Bewusstsein, dass es nicht brennt.“ Er werfe sich aber vor, dass er N. nicht weggezogen habe. „Ich bin weder Mittäter eines versuchten Mordes noch ein Gehilfe.“

Sechs der Angeklagten befinden sich seit Ende Dezember in U-Haft. Nour N. ließ erklären, ihm sei bekannt, „welch verheerendes Licht das Geschehen auf andere Flüchtlinge wirft“. Er schäme sich. Nur der 17-jährige Eyad S. zeigte sich geständig. Bei ihm geht es um unterlassene Hilfeleistung. Der Prozess geht Dienstag weiter.

Kerstin Gehrke

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