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Eisberge, spiegelglatte Flächen, dazwischen ein paar Granulatsteinchen: Derzeit ist in Berlin Hindernislauf angesagt.

© dpa

Glatte Gehwege: Noch mehr Knochenbrüche in diesem Winter erwartet

Seit dem Tauwetter über Neujahr hat sich die Situation auf den Gehwegen deutlich verschlechtert. Bereits im letzten Jahr brachen sich in Berlin mehr Menschen die Knochen, in diesem Winter könnte es noch schlimmer werden.

Die Frau klammert sich an einen kahlen Strauch. Vorsichtig rutscht sie rückwärts durch das Gestrüpp und landet dann auf dem Gehweg. Der Parkeingang zur Neuköllner Hasenheide ist seit Wochen nicht geräumt worden. Dort, wo früher Treppenstufen und eine Rampe für Kinderwagen waren, ist nur noch eine spiegelglatte Fläche zu sehen. Aber hier gilt ja nur der eingeschränkte Winterdienst, so steht das schließlich auf dem Schild daneben.

Pech nur für die Berliner, dass der eingeschränkte Winterdienst offenbar auch überall sonst gilt. In der ganzen Stadt hat sich die Situation auf den Gehwegen seit dem kurzen Tauwetter über Neujahr deutlich verschlechtert. Konzentriert muss man sein beim Gehen, nach kleinen geräumten Stellen Ausschau halten. Wehe dem, der mit Einkaufstüten bepackt ist und sich nicht festhalten kann. Mit Kinderwagen bleibt man am Besten zu Hause – genau wie alle, die ohnehin nicht gut zu Fuß sind.

Das bisschen Granulat ist längst unter einer Eisschicht verschwunden und wirkungslos geworden. Selbst die dicken Schneeberge an den Gehsteigrändern, auf denen man bisher zwar nasse Füße bekam, aber zumindest etwas Halt fand, sind mittlerweile vereist oder unüberwindbar riesig geworden.

Bereits im letzten Winter, als die Stadt wochenlang mit Eis überzogen war, haben sich mehr Menschen in Berlin die Knochen gebrochen als in den Jahren zuvor. Das bestätigte jetzt die Techniker Krankenkasse. Um 25 Prozent ist die Quote im Vergleich zum Winter 2008/2009 gestiegen. Und schon jetzt rechnet die Krankenkasse mit noch mehr Brüchen in diesem Winter. „Ganz einfach deshalb, weil der Winter in diesem Jahr noch früher angefangen hat“, sagt eine Sprecherin der TK. Am schlimmsten trifft es übrigens die Senioren: Über sechzig Prozent der Knochenbruch-Patienten seien über sechzig Jahre alt, so die Statistik der Krankenkasse.

„Die Räumfirmen haben versäumt, rechtzeitig zu räumen, das rächt sich jetzt“, sagt Carsten Spallek, Bezirksstadtrat in Mitte. „Wer den Schnee rechtzeitig entfernt, muss später nicht mit Eis kämpfen.“ Schon vor Wochen hat er sich zusammen mit seinem Stadtratkollegen Ephraim Gothe über die Zustände auf den Gehwegen beklagt. Sie seien „einer Großstadt unwürdig“, schrieben die beiden in einer Pressemitteilung.

Das Hauptproblem besteht laut Spallek darin, dass es zu wenig Räumfirmen gibt. „In diesem Jahr sind deutlich weniger Firmen auf dem Markt als im Jahr zuvor“, sagt er. Die Hauseigentümer sind relativ machtlos, wenn es niemanden gibt, der die Dienstleistung anbietet. Die Bezirke selbst stehen zum Teil vor demselben Problem. Im Bezirk Mitte wurden drei Räumfirmen engagiert – eine für die Wege vor den öffentlichen Gebäuden, eine für die Grünflächen und eine für die Schulen. Die Räumung der Rathauswege klappt laut Spallek gut, bei den Grünflächen dagegen sehe es schlecht aus. Doch viel dagegen ausrichten könne man nun nicht. „Es gibt keine Alternativen, jetzt findet man keinen anderen Anbieter mehr.“

Und selbst Handanlegen ist auch keine Option. Den Bezirken fehlen laut Spallek das Material und das Personal. Am meisten stört den Stadtrat die Flickenteppichlösung bei der Eisbeseitigung. „Da fegt ein Besenwagen vor der Hausnummer 12, 17 und 25, aber dazwischen nicht, weil jemand anders zuständig ist.“ Spallek schlägt eine Koordinierungstelle vor, um die knappen Ressourcen zu bündeln und effektiver zu organisieren. Doch bisher wurde seine Idee im Senat nicht aufgegriffen.

Das Ordnungsamt ist übrigens weiterhin täglich im Einsatz und schreibt Bußgeldbescheide. „Das ist momentan die Hauptbeschäftigung der Mitarbeiter im Außendienst“, so Spallek. Für Anzeigen gegen Hundekot oder Parken in zweiter Reihe hätten die Kollegen kaum noch Zeit. Bis zu 200 Euro kann es kosten, wenn der Gehweg längere Zeit nicht geräumt wurde. „Die Leute sind auf jeden Fall sensibilisierter. Sie rufen uns viel öfter an, um ungeräumte Stellen anzuzeigen.“ Und was, wenn der vereiste Weg dem Bezirk selbst gehört? „Aufgenommen wird es schon, und wir haften auch, aber ein Bußgeldbescheid gegen uns selbst ist nicht möglich“, sagt Spallek.

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