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Berlin: Glück ist eine schwarze Scheibe Michael Kohls lädt wieder zur Plattenbörse

Gold hängt an den Wänden, durchweg gerahmt, kreisrund, mit einem kleinen Loch in der Mitte. Stings „The Dream of the Blue Turtles“, John Lennons „Imagine“ oder eine Scheibe, beschichtet in 24 Karat: „The Doors“.

Gold hängt an den Wänden, durchweg gerahmt, kreisrund, mit einem kleinen Loch in der Mitte. Stings „The Dream of the Blue Turtles“, John Lennons „Imagine“ oder eine Scheibe, beschichtet in 24 Karat: „The Doors“. Daneben bunte Tourposter von Chuck Berry und den Byrds, vergilbte Konzertkarten und in den Regalen hunderte Platten, tausende CDs – dies alles versammelt im kleinen Durchgangsraum einer Zweieinhalbzimmerwohnung am Charlottenburger Einsteinufer, dem Musiktempel von Michael Kohls.

Der 62-Jährige sammelt CDs und alte Platten, und für diese Leidenschaft ist Berlin goldrichtig: Das Angebot hier ist riesig, in speziellen Plattenläden, auf Flohmärkten und auf Plattenbörsen. Eine veranstaltet Kohls seit 32 Jahren selbst, das nächste Mal wieder an diesem Sonntag in der Mensa der TU. 50 Händler und Sammler werden dann rare Singles verkaufen, neue und gebrauchte Platten, Poster, Videos.

Es gibt noch weitere Plattenbörsen in Berlin. „Man kann wirklich überall was finden“, sagt Kohls. „Wer gezielt sucht, ist bei Händlern besser aufgehoben, wer stöbern will, bei privaten Verkäufern auf Flohmärkten.“ Kohls muss es wissen, er sammelt seit über 40 Jahren. Wirklich wertvolle Platten, für die man einen Mittelklassewagen bekommt, hat er nicht. Sein wertvollstes Exemplar ist das Album „Steel Wheels“ der Rolling Stones, versilbert und etwa 300 Euro wert. „Der Wert ist nicht das Entscheidende, ich sammle Musik“, sagt Kohls, der bei einer Rentenversicherung arbeitet. In seinem Regal steht neben Klassikern wie den Beatles, den Stones und Pink Floyd vor allem psychedelischer Rock von der US-Westküste wie Jefferson Airplane und Quicksilver Messenger Service. „Reine Drogenmusik“, sagt er. Auf 3000 Platten wuchs Kohls’ Sammlung an, doch mit Aufkommen der CD tauschte er langsam die Medien gegeneinander aus. Übrig blieben 500 Platten, doch zum Verkaufen auf Börsen und Märkten lagern noch einige hundert in Kisten. Kohls’ Herz hängt noch immer am Vinyl: „Ältere Musik klingt auf Platten besser. Und Platten klingen wärmer als CDs.“

„Es gibt eine sehr ausgeprägte Sammlerszene in Berlin, ein Kosmos für sich“, sagt Kohls. Seit Jahrzehnten träfen sich immer dieselben Leute. „Man spricht viel über Musik. Mit dem Alter aber auch viel über Krankheiten.“ Allerdings kommen immer weniger Besucher zu seiner Plattenbörse, der Nachwuchs fehlt. Heute machte Kohls lieber mit seiner thailändische Frau Urlaub in Asien, früher reiste er zu Börsen in ganz Europa. Auf solchen Treffen ließen sich gute Geschäfte machen. Eine Stones-Platte erwarb Kohls einst für 40 Mark und verkaufte sie fürs Zehnfache. Die Angebote in Berlin haben sich bis nach England und Japan herumgesprochen. Die Stadt sei beliebter, weil billiger Einkaufsort für ausländische Händler, sagt Kohls. Und sogar der Mann, der als Erfinder der Schallplatte gilt, war ein Berliner, aber nur dem Namen nach: Emil Berliner aus Hannover, 1870 ausgewandert in die USA. Christoph Spangenberg

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