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Berlin: Großes Spielzeug

Ein Fotograf sammelt gebrauchte Lego-Steine für die größte Kamera der Welt.

Beim Entrümpeln des Dachbodens entdeckte er die Kiste mit den Lego-Steinen wieder. Die Kinder waren aus dem Alter raus, wegschmeißen oder verschenken wollte er die Steine aber auch nicht. Dass dieser Funds Jens Werlein bei Fotoliebhabern in der ganzen Welt bekannt machen würde, konnte er damals, im November 2011, noch nicht ahnen.

Jens Werlein beschloss, aus den alten Fundstücken eine Kamera zu bauen. Nicht einfach nur eine Lego-Kamera, sondern einen voll funktionstüchtigen Apparat. „Mit meinen Studenten habe ich viel über Recyclingmöglichkeiten gesprochen“, erzählt der Fotograf und Dozent der Hochschule für Gestaltung in Schwäbisch Gmünd. „Wie kann man aus Altem hochwertiges Neues schaffen?“ Außerdem habe er sich damit auseinandergesetzt, was ein Fotograf heutzutage ohne Strom macht, und kam zu dem Ergebnis: Nicht viel. „Ohne Strom, Batterien, Computer geht nichts mehr.“ Werlein wollte ein Gegenmodell entwerfen.

Und dann kamen doch wieder die Kinder im Teenageralter ins Spiel, die sich zwar nicht mehr für Lego, aber umso mehr für Fotografie interessieren. In nur drei Tagen hatten sie die erste Kamera im Filmformat 9x12cm gebaut, die einzigen Nicht- Lego-Teile waren das Objektiv, die Mattscheibe, die Filmkassette und das Digitalrückteil. Den Prozess sowie das Resultat hielt Werlein auf einem Blog fest, der mittlerweile um die Welt gegangen ist.

Inzwischen hat der 53-Jährige zehn solcher Kameras gebaut, einige weitere mit seinen Studenten. Im Sommer 2012 entstand in einem Workshop im Berliner Guggenheim-Lab eine 20-x-25-cm-Variante. Nun wird es überdimensional: Jens Werlein baut an einer Kamera mit dem Format 50x60 cm, ein Meter 30 lang, 65 cm hoch und ebenso tief soll der größte aufnahmefähige Fotoapparat der Welt werden. Das Problem: Ihm sind die Lego-Steine ausgegangen. Achtzigtausend braucht er, noch nicht einmal die Hälfte hat er bisher gesammelt. An diesem Wochenende stellte er sein unvollendetes Projekt bei der Neueröffnung des Fotofachgeschäfts Louis@Nicéphore in der Karl-Marx-Allee 87 in Friedrichshain vor – und rief zu einer Spendenaktion auf. „Bisher wurden nur ungefähr fünfzig Steine gespendet, aber ich freue mich über jeden einzelnen“, sagte Werlein am Sonnabend. „Neue kaufen oder bei Lego nach einem Sponsoring fragen, möchte ich nicht. So dauert es zwar etwas länger, aber das Projekt wird auch viel persönlicher.“ Einige Spender haben ihre Steine mit Namen versehen und sind auf diese Weise in der größten Lego-Kamera der Welt verewigt.

Eine seiner Lego-Kameras wird bis Mitte September bei Louis@Nicéphore zu sehen sein, dann kommt Jens Werlein wieder, um gemeinsam mit Ladeninhaber und Fotoexperte Andreas Kesberger einen Workshop zu halten – es sollen, na was wohl, Lego-Kameras gebastelt werden. Vorher reist der Baden-Würrtemberger mit seinem Projekt durch Deutschland. An diesem Sonntag geht Jens Werlein aber erst mal auf den Flohmarkt im Mauerpark, vielleicht findet er hier ja noch ein paar Lego-Steine. Leonie Langer

Wer Lego-Steine spenden möchte, kann das im Laden Louis@Nicéphore Fotopioniere, Karl-Marx-Allee 87, Friedrichshain, geöffnet Mo-Fr 11-20 Uhr, Sa 11-18 Uhr. www.fotopioniere.com.

Jens Werleins Fotoblog finden Sie unter: werlein-fotografie.blogspot.de

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