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© Uwe Steinert

Grunewald: Turm ohne Aussicht

Seit einem Monat sollte die Sanierung des Grunewaldturms abgeschlossen sein. Doch der Termin zieht sich hin – die Besucher sind verärgert, der Wirt klagt.

„Die Größe stimmt, die Lage auch, die Aussicht vom Turm ist überwältigend – eine optimale Ausgangslage“, dachte sich Björn Hansow, als er am 3. Oktober vergangenen Jahres das Restaurant am Grunewaldturm neu eröffnete. Doch seit 1. Dezember 2008 wird der Turm saniert und wie lange das noch dauern wird, kann im Moment niemand sagen. Der Wirt bangt deshalb um seine Finanzen, und die Besucher bleiben weg oder sind frustriert, wenn sie in guter Hoffnung kommen. Denn ursprünglich sollten die Arbeiten längst beendet und der Turm ab 9. Juni wieder geöffnet sein. Dass sich nun alles verzögert, liegt nach Auskunft der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung am „größeren Sanierungsbedarf als angenommen.“

Deshalb habe man sich entschlossen, nun alles gleich in einem Abwasch zu erledigen, sagt Behördensprecher Marko Rosteck. Dadurch verzögerten sich naturgemäß die Arbeiten. Man habe sich jetzt zum Beispiel entschieden, die alten Dachsteine komplett abzutragen und zu erneuern. Zudem müssten auch die Außentürme mit saniert werden. Wann das jedoch passieren soll, was es kosten wird und vor allem, woher die Gelder dafür kommen, steht noch nicht fest. Für den Restaurantbetreiber Björn Hansow keine beruhigende Auskunft. Ihm reißt jeder Tag, an dem der Turm geschlossen bleibt, ein Loch in die Kasse. Er rechnet mit 25 bis 30 Prozent weniger Umsatz durch die Turmschließung.

Dabei geht es vor allem um die Pauschalreise-Angebote von Busunternehmen aus ganz Deutschland. „Eigentlich könnten wir hier zweimal die Woche einen Bus auf dem Hof haben. Wenn wir jedoch verneinen, dass der Grunewaldturm begehbar ist, winken die meisten Interessenten ab“, sagt der Restaurantchef. Das lukrative Geschäft mit den Busreisen fällt zurzeit komplett weg. Ähnliches befürchtet Hansow nun auch bei den Hochzeitsfeiern, weil durch die Turmschließung das Gewölbezimmer fehle, in dem viele Paare heiraten möchten.

Eigentlich wollte Björn Hansow den Gastronomiebetrieb nicht übernehmen, solange der Turm gesperrt ist. Doch dann kam sein Vorgänger vor rund einem Jahr bei einem Verkehrsunfall ums Leben, und so entschloss er sich, das Restaurant zu Füßen des Turms früher als geplant zu pachten. Rund eine halbe Million Euro habe er in dessen Umbau investiert. Vom Fußboden über die Decke und Elektrik bis zu den Möbeln sei nun alles neu. „Wir haben etliche Stammgäste von unserem Vorgänger übernehmen und neue hinzugewinnen können“, sagt er. Immer mehr junge Familien, Schulklassen und Wandergruppen besuchten inzwischen den Biergarten. Rund zehntausend Besucher seien es im Durchschnitt monatlich – in den Sommermonaten entsprechend mehr, in den Wintermonaten weitaus weniger.

Den Frust und Unmut der Besucher bekommen zurzeit der Wirt und sein Team zu spüren und nicht der Senat, der die Sanierung aus Sicht des Wirtes nicht schnell genug vorantreibt. „Bei uns entsteht der Eindruck, dass es nicht recht vorangeht. Die Fugen an den Außenfassaden wurden komplett ausgekratzt. Nun wird jedoch nicht neu verfugt. Die Arbeiter, die im Moment da sind, kümmern sich nach wie vor um die Treppe.“

Dabei sollte die Sanierung des baufälligen Treppenhauses schon vor rund einem Monat abgeschlossen sein. Etwa 438 000 Euro hat sie gekostet. Über die Kosten der noch anstehenden Sanierung will die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung derzeit keine Prognose abgeben. Man werde sich schnellstmöglich darum kümmern, heißt es.

Björn Hansow sagt, dass er bisher keinen Streit mit dem Senat gehabt habe und sich mit den Vertretern der Verwaltung eigentlich ganz gut verstehe. Doch wünsche er sich nun endlich eine definitive Aussage darüber, wann die Turmsanierung fertig sein wird, damit er wenigstens die aktuellen Anfragen vernünftig beantworten kann. Im Moment könne er auch keine Werbung machen, weil der Turm das Aushängeschild des Restaurants ist.

Er und seine Gäste werden sich jedoch vermutlich in Geduld üben müssen. „Wir sind halt nicht die Gedächtniskirche“, sagt er, „sondern nur der Grunewaldturm.“

Carmen Gräf

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