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Berlin: Günter Anlauf: Geb. 1924

Der Bildhauer Günter Anlauf ist am 25. Oktober gestorben, seiner herkulischen Arbeitskraft hätten seine Freunde eine längere Lebensdauer vorausgesagt, aber es sollte nicht sein.

Der Bildhauer Günter Anlauf ist am 25. Oktober gestorben, seiner herkulischen Arbeitskraft hätten seine Freunde eine längere Lebensdauer vorausgesagt, aber es sollte nicht sein. Günter Anlaufs Bildwerke sind ein eigentümlicher Sonderfall, und es ist nicht unwichtig zu wissen, dass er Schlesier war, 1924 in Großhansmannsdorf bei Bunzlau geboren. Der schlesische Mystiker Angelus Silesius hat jenen Vers geschrieben:"Mensch werde wesentlich, denn wann die Welt vergeht, so fällt der Zufall weg, das Wesen, das besteht."

Er war Bildhauer im ursprünglichen Sinne, und das sieht man seinen Werken an, auch jenen, die mit den Derivaten des Steins - Gips, Stuck und Zement - zu tun haben, denn er verdiente das Geld für seine eigenen Arbeiten mit Restaurierungen im Charlottenburger Schloss von 1956 bis 1962. Er hat dabei seine eigentümlichen Inspirationen empfangen, die zu Formen von kaustischer Ironie und Humor führten, Max Ernst, Paul Klee und Christian Morgenstern verwandt, man möchte sie als Steinhauer-Poesie bezeichnen.

Zusammen mit Günter Bruno Fuchs und Robert Wolfgang Schnell war er Mitbegründer der Zinke, jener Galerie im Kreuzberger Hinterhof, die nur drei Jahre bestand, von 1959 bis 1962. Ohne ihn wäre sie nicht gewesen: Das Geld, das er im Schloss Charlottenburg verdiente, gab die Miete her.

Als Günter Bruno Fuchs starb, schuf er ihm 1977 einen Grabstein, der seinesgleichen nicht hat. Es sollte ein Granitfindling mit Namen sein, aber beim Anblick des Kolosses sah Anlauf plötzlich das Abbild des Freundes darin und meißelte keine Schrift, sondern die Liegefigur des lächelnden GBF in einfachsten Umrisslinien hinein. Ich kenne kein Grabmal, das mehr Heiterkeit und Freundschaft ausdrücken könnte.

Im öffentlichen Raum bleiben seine großen Bären an der Autobahn nach Hamburg und die vier auf der Moabiter Brücke und, nicht zu vergessen, seine Stuckornamente an den dumm abgerupften und neu verputzten Gründerzeithäusern, mit denen er der kahlen Langeweile ein neues Gesicht von architektonischer Genauigkeit und geistvollem Witz gegeben hat.

MS

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