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Berlin: „Haben Sie eine kleine Sympathie für die CDU?“

In den Lichtenberger Plattenbausiedlungen klingelt der Bundestagskandidat Georg Eickhoff an 10 000 Haustüren, um der PDS Paroli zu bieten

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Ahrenshooper Straße in Neu-Hohenschönhausen. Elfter Stock. Die blonde Frau in karierten Shorts schenkt dem fremden Man im Hausflur ein strahlendes Lächeln. Ja, sie überlege wirklich, diesmal CDU zu wählen. Sie ist Lehrerin. „Aber dann erzählen Sie mir doch bitte, was die CDU für die Bildung tun will.“ Georg Eickhoff kann es kaum fassen. Der erste Klingelknopf heute und schon ein Volltreffer. Seit dem 1. Mai turnt der Direktkandidat der Union im Bundestagswahlkreis Lichtenberg durch die hohen Treppenhäuser des Bezirks, behängt mit einer Stofftasche von Aldi, vollgestopft mit Wahlkampfutensilien.

„Wenn der Eickhoff zweimal klingelt“, ist sein Slogan auf der Internetseite. Bis zum 22. September will er 10 000 Hausbesuche machen. „Beim ersten Mal hatte ich Schiss, aber dann war die Angst weg“, grinst der CDU-Mann. Sein Einsatzgebiet sind die sanierten Plattenbausiedlungen im Nordosten Berlins. Für einen Christdemokraten kein ideales Einsatzgebiet. Der Wahlkreis Lichtenberg ist eine Hochburg der PDS. 1998 konnte die Union dort nur 13,9 Prozent der Erststimmen abfischen. Ohne Eickhoff. Der arbeitete damals noch als Referent für die baden-württembergische Kultusministerin Annette Schavan, war erst zwei Jahre Mitglied der CDU. Die Mutter ist Pazifistin, die Schwestern gründeten in der Eifel die Grünen mit, und Eickhoff hat den Wehrdienst verweigert. „Früher war ich auch eher ein Grüner.“

Aber dann merkte er, dass das Christlich-Konservative in ihm überwog, und nun läuft er treppauf, treppab, um für die Berliner CDU in den Bundestag zu kommen. Ahrenshooper Straße, 8. Stock. Wieder öffnet sich dem Kandidaten eine Tür, hinter der ein verschlafener, älterer Herr steht, nur mit Unterhose und -hemd bekleidet. „Noch 40 Tage bis zur Bundestagswahl; ich bin Ihr Bundestagskandidat und wollte mich persönlich vorstellen.“

Der Mann nickt müde und nimmt wortlos entgegen, was Eickhoff seit Wochen jedem in die Hand drückt: ein Faltblatt mit Foto. „Dr. Gregor Eickhoff. Für Sie in den Bundestag.“ Dazu ein CDU-Kurzprogramm und ein blauer Kugelschreiber. Sobald das Werbeblättchen überreicht ist, in dem Eickhoff mit Lothar Späth, Angela Merkel und dem siebenjährigen Sohn Konrad zu bewundern ist, stellt der Bundestagskandidat jedesmal die entscheidende Frage: „Haben Sie eine kleine Sympathie für die CDU?“ Die Antwort bestimmt den weiteren Verlauf des Gesprächs. „Nää“, stößt ihm der junge Mann mit den kurzgeschorenen Haaren entgegen. „Interessiert mich alles nicht“, sagt die ältere Dame. „Wir wollen nix wissen von Politik, auch wenn hier zwei so nette Männer stehen“, sagt die schwarzlockige Mittzwanzigerin, Mann und Kind im Schlepptau; das Strandspielzeug steht auf dem Flur. Sie gestikuliert, als wolle sie Eickhoff und dessen Begleiter, der Faltblätter und Klebezettel bereit hält, schnell wegwedeln.

Doch viele Hausbewohner reagieren freundlich. Viele wissen noch nicht, welche Partei sie wählen werden, aber die CDU käme durchaus in Frage. Ahrenshooper Straße, 5. Stock. Eine Frau mittleren Alters gibt sich als Mitarbeiterin des Arbeitsamtes zu erkennen. „Die jungen Leute, die zu uns kommen, die wollen gar nicht mehr arbeiten – oder höchstens vier Stunden am Tag.“ Deshalb hofft sie auf Edmund Stoiber als Kanzler und ist froh, dass nicht Angela Merkel antritt. „Männer können doch härter durchgreifen als ’ne Frau.“ Im Erdgeschoss angekommen, kann Eickhoff noch einmal punkten. Ein heftig gepiercter Jungwähler outet sich als Fan der CDU. Kennt er Lothar Späth? Nein, den n hat der junge Mann noch nie gehört. „Aber die Merkel, die kenn’ ick.“

Stoiber ist im Berliner Osten doch nicht so gefragt. Deshalb hat die Lichtenberger CDU auch 5000 Plakate, die den Kanzlerkandidaten zeigen, an die Parteifreunde in Charlottenburg abgegeben. Aber die 1000 Merkel-Plakate, die die CDU-Parteichefin dem Kreisverband Lichtenberg persönlich gestiftet hat, wurden gern genommen und hängen jetzt – neben Eickhoffs Konterfei – an den Straßenrändern. Am Dienstag kommt Merkel in den Tierpark, um dort im Einkaufs-Center mit dem CDU-Landeschef Christoph Stölzl den Wahlkampf in Berlin zu eröffnen. Im Wahlkreis Lichtenberg! Eickhoff ist stolz.

Ahrenshooper Straße, zweites Hochhaus. Ein kleiner, dicker Mann lugt durch den Türspalt. Hinter ihm schlurft der Opa heran. „Ich sprecken nich gutt deutsch. Ich aus Ural.“ Russlanddeutsche trifft Eickhoff öfter an. „Manchmal so richtige Babuschkas.“ Dann zieht er aus seiner großen Tasche ein Blatt heraus: CDU-Wahlkampfparolen auf russisch; die Spezialität des Kandidaten. Lesen kann er das nicht. Dafür spricht der promovierte Historiker, der erst 36 Jahre alt ist, spanisch, portugiesisch und englisch. Er ist mit der brasilianischen Malerin Heloisa Correa-Eickhoff verheiratet, die er 1993 bei einer Forschungsreise in Texas kennenlernte. Beide zog es anschließend nach Mexiko, Argentinien und Spanien, bevor sich das Ehepaar in Stuttgart niederließ und im Mai 2000 nach Berlin übersiedelte. Seitdem arbeitet Eickhoff als Bildungsreferent in der baden-württembergischen Landesvertretung.

Bisher kannte ihn kaum jemand. Er ist nicht einmal CDU-Ortsvorsitzender. Die Medien nahmen von Eickhoff erst Notiz, als er im Februar gegen den ehemaligen CDU-Landesvorsitzenden Eberhard Diepgen antrat, um Berliner Spitzenkandidat für die Bundestagswahl zu werden. Eickhoff zog die Kandidatur in letzter Minute zurück, aber sein Vorstoß war der Auslöser für Diepgens Sturz. Eickhoff organisiert den Gesprächskreis der Berliner „CDU-Hugenotten“ mit. Neu-Berliner, weltläufige und liberale Parteimitglieder, die nicht im Kiez groß geworden sind und die Union an ihre Rolle als Hauptstadtpartei gewöhnen wollen.

Abschied von der Ahrenshooper Straße. Der Kandidat schreibt ins Fahrtenbuch: „80 Wohnungen, 27 Gespräche, 50 Prozent positiv.“ Die PDS hat derweil mitgekriegt, dass ein CDU-Mann in ihren Gefilden wildert. Er lacht. „Jetzt machen die auch Hausbesuche.“

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