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Berlin: Hält das neue Linien-Netz, was die BVG verspricht?

Es läuft doch. Und nicht nur irgendwie.

Es läuft doch. Und nicht nur irgendwie. Alles eine Frage der Gewöhnung. Der öffentliche Nahverkehr ist nun wirklich nicht zusammengebrochen, und lange Warteschlangen vor den Haltestellen fallen im Stadtbild auch nicht auf. Dabei ist, was die Verkehrsbetriebe auf die Räder gestellt haben, eine Fahrplan-Revolution. Die BVG, von der die Politik und die Steuerzahler seit Jahren mehr Wirtschaftlichkeit fordern, hat nur folgerichtig gehandelt: Sie hat unwirtschaftliche oder weitgehend parallele Linien, also teure, defizitäre Routen, gestrichen oder gekappt. Sie hat sich bemüht, ihren Fuhrpark effektiver einzusetzen. Sie hat sich mit Metro-Linien und einem dichten Takt-System Vorgaben gesetzt, die sie einhalten muss. Die Verbindungen sind nicht schlechter, aber anders geworden. Der öffentliche Anspruch, auf schnellstem Weg jedes Ziel zu erreichen, ist mehr denn je unbezahlbar.

Die Kritik vermittelt den Eindruck: Früher, also noch vor acht Tagen, war das Streckennetz geradezu perfekt. Aber wurde nicht stets über die BVG gemeckert? Nun hat sie endlich Mut zu Einschnitten gezeigt. Nach wenigen Tagen über das Konzept den Stab zu brechen, ist voreilig. Und ein wenig unfair. Wo bleibt die Gelassenheit? Nichts ist auf Anhieb perfekt. Die BVG scheint für Kritik offen. Die Mehrzahl ihrer Kunden wird bald die ganze Aufregung nicht mehr verstehen.

Bei der BVG hat nun auch der wohlmeinendste Fahrgast den Anschluss verloren. Das Tamtam um die Metrolinien ist nichts weiter als Schönfärberei. Die grenzt allerdings schon bald an Volksverdummung. Da suggerieren Plakate von tiefergelegten Omnibussen den Eindruck vom Temporausch auf Berlins Straßen. Doch in Wahrheit geht es nicht eine Radumdrehung schneller voran als früher. Hinzu kommt ein Höchstmaß an Verwirrung. Wir Einheimischen werden eines Tages schon kapieren, worin der Unterschied zwischen dem Bus X11 und dem Bus M 11 besteht. Aber begreift ein Tourist, dass die Berliner Metro-Linien keine U-Bahnen, sondern Busse und Trams sind?

Eines merken alle auf Anhieb: Die so genannte „Formel M“ steht für M wie maximalen Gewinn. Die BVG verlangt für weniger Service dasselbe Geld – Preiserhöhung könnte man auch dazu sagen. Pech für den, der abseits einer M-Route wohnt. Wer beispielsweise auf der Strecke des einstigen 348ers zwischen östlicher und westlicher City ist, muss zwei Mal umsteigen und dabei bis zu acht Minuten warten – so viel zum Metro-Motto „Starten statt warten“. Umsteiger auf dieser Route werden zudem in überfüllten M(!)-Straßenbahnen und klapprigen Doppeldecker-Bussen verschaukelt. Da wird die Fahrt im Privat-Pkw wieder zur Alternative. Björn Seeling

Christian van Lessen

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