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Berlin: Hämmern verboten (Glosse)

Vor zehn Jahren skandierte das Volk: "Die Mauer muss weg!".

Vor zehn Jahren skandierte das Volk: "Die Mauer muss weg!". Der Senat hörte gut zu und tat, wie ihm geheißen. Ritsche-ratsche schredderten Maschinen zu Staub, was ihnen die Mauerspechte übrig gelassen hatten. Straßen und Autobahnen wurden mit dem Mehl aus dem antifaschistischen Schutzwall gebaut, aber sehr weitblickende Menschen sorgten dafür, dass der Wall an zwei Stellen ein wenig erhalten blieb. Was besonders die Touristen freute, denn nach zehn Jahren ging der Trend eindeutig in Richtung: Die Mauer muss wieder her!

Nun, im Jubel der Zehn-Jahre-Mauerfall-Feiern, besinnt man sich des Erhaltenen. Die Mauer an der Niederkirchnerstraße war a) von Unkraut umstellt und b) mit einem Streckmetallzaun geschützt. Das sah nicht schön aus, eher idyllisch. Nun wurde wegen der Authentizität im Senat beschlossen, Zaun und Unkraut wegzuräumen.

Als sie plötzlich so da stand, die Mauer, schutzlos und ein wenig angeknabbert, kam eine Senatsverwaltung (Bau) auf die Idee, einen kleinen Vorgartenzaun (Holz), weiß, für 150 000 Mark davor zu setzen, um den Wall vor Spechten zu schützen. Eine andere Senatsverwaltung (Stadtentwicklung, Denkmalschutz) erkannte, dies passe wie die Faust aufs Auge: Der Zaun kam, kaum, dass er zur Hälfte stand, wieder weg. Nun bauen die Denkmalpfleger auf den mündigen, geschichtsbewussten Bürger, dem die Lust vergangen ist, mit dem Hämmerchen an den Beton zu klopfen. Frank und frei steht die Mauer unkrautlos da, nackt und bloß, wie sie der Ulbricht geschaffen hat. "Betreten verboten" heißt es in fünf Sprachen auf Plakaten, das Fotografieren ist erwünscht. Bürger, schützt eure Betonanlagen!

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