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Berlin: Hans-Lutz Romanowski (Geb. 1928)

Wie riecht sie eigentlich, die Berliner Luft, Luft, Luft?

Wie die „Berliner Luft“ klingt, wussten die Menschen schon seit einem halben Jahrhundert, nicht aber, wonach sie riecht. Das brachte den Souvenirgroßhändler Hans-Lutz Romanowski auf die Idee, den holden Duft, Duft, Duft dieser Luft, Luft, Luft einzufangen, auf dass rein gar nichts mehr verpufft, -pufft, -pufft. Letztlich entstammte der von ihm vertriebene Duft zwar einer Kondensmilchdosenfabrik in Schleswig-Holstein – doch wer wollte da kleinlich sein.

Hätte Lutz allein entscheiden dürfen, dann wäre er nicht Kaufmann, sondern Diplomat geworden. Er wollte etwas zur Völkerverständigung beitragen – vielleicht weil er 1948 in Schweden so herzlich aufgenommen worden war. Auf Initiative von Probst Grüber, der schon im Krieg „nichtarischen Christen“ wie Lutz geholfen hatte, wurde er nach Schweden verschickt, um zu Kräften zu kommen. Ein Leben lang bedankte er sich mit großem Ernst für jedes Essen auf Schwedisch: „Tack för maten!“

Er nahm also ein Politikstudium auf, das er jedoch bald wieder aufgeben musste, um sich ganz dem Geldverdienen zu widmen. Der großbürgerliche Lebensstil seiner Mutter musste finanziert werden. Sein Vater, schon vor Langem zum Protestantismus konvertiert, aber in der nationalsozialistischen Rassenideologie noch immer als Jude eingestuft, war im Pariser Radsportstadion von den Nazis erhängt worden. Fortan war es an Lutz, den Status der Großkaufmannsfamilie Romanowski aufrechtzuerhalten.

Nach einer kurzen Episode als Vertreter für einen befreundeten Modeschmuckhändler gründete er einen Souvenirgroßhandel, der schnell zum größten Berlins wurde. Das verdankte er vor allem den Alliierten, die seine besten Kunden waren mit ihren Läden, die sie in den Kasernen betrieben. Auch wenn Lutz sein Geschäft vor allem für das Wohlergehen der Familie betrieb, entwickelte er eine gewisse Leidenschaft für seine Produkte: die Postkartenhalter aus Plastik mit Holzoptik, Biergläser mit dem Berliner Bären und natürlich die Berliner Luft in Dosen, bedruckt mit Doppeldeckerbussen und der „schwangeren Auster“.

Als sich nach einigen Jahren Langeweile einschlich, überließ er das Geschäft zwei Partnern und wurde Teilhaber eines Echtschmuckhandels. „Löscher & Romanowski“, dessen Geschäftsräume in einer Etagenwohnung lagen, war die „Metro“ unter den Schmuckhändlern: Die Kunden erhielten Einkaufsausweise, mit denen sie alles etwas billiger bekamen als bei der Konkurrenz. Das ging eine Weile gut, doch zogen vor allem jüngere Kunden die schicken Ladengeschäfte der Konkurrenz vor. Nach 15 Jahren kehrte Lutz zu den Souvenirs zurück.

Seine erste Frau Gisela hatte er 1957 im „Ballhaus Resi“, Hasenheide kennengelernt. Ein pompöser Saal mit Wasserspielen und Tischtelefonen. Lutz, der Charmeur, hofierte die schöne Gisela mit den bereits mehrfach erprobten Worten: „Darf ich Sie Aurora nennen? Sie sind wie die aufgehende Sonne! Sie sind wie die Morgenröte!“ 1959 wurde der Sohn Christian geboren, drei Jahre später sein Bruder Nicolai. Gisela und Lutz gingen oft tanzen und feierten mit Freunden ausschweifende Feste, bei denen man morgens um fünf noch gemeinsam frühstückte. Immer öfter feierte er dann auch ohne Gisela. Die Ehe geriet ins Schlingern, und eines Tages war Gisela weg und er mit den Kindern allein.

Seine neue Verantwortung fürs Häusliche delegierte er sogleich an eine Haushälterin. Später kümmerte sich seine jeweilige Freundin um Haus und Kinder. Er selbst kam nun noch später von der Arbeit, kuschelte mit den Söhnen, und war ansonsten streng um ihre Bildung bemüht, in der Hoffnung, dass sie, anders als er selbst, eine akademische Laufbahn einschlagen würden. Der eine studierte immerhin, der andere wurde ein erfolgreicher Geschäftsmann.

1982 verliebte sich Lutz in die über 20 Jahre jüngere Blumenhändlerin Gabi. Obwohl er üblicherweise nur dann spendabel war, wenn es um seine Kunstsammlung ging, kaufte er ihr nun sehr viele Sträuße ab. Das wirkte. Die beiden heirateten und Lutz adoptierte Gabis Tochter. Mit einer gewissen Strenge bändigte Gabi sein umtriebiges Wesen. Den Großteil seiner freien Zeit verbrachte er nun daheim. Nur zum „Altherrensport“ und zum Tennis mit seinem besten Freund Kalli ging er weiterhin. Danach trank er noch ein Bier mit, und spätestens um zwölf war er zu Hause.

Nach dem ersten Schlaganfall 1989 zog er sich aus der Firma zurück. Natürlich litt er unter den körperlichen Einschränkungen, doch erleichterte es ihn mindestens ebenso sehr, nun keine Verantwortung mehr tragen zu müssen. Wenn an Festtagen Kinder und Enkelkinder zu Besuch kamen, saß er in ihrer Mitte, umsorgt von Gabi und sehr zufrieden. Seine Pflegerin Iwona schob ihn fast täglich mit dem Rollstuhl ins „Café am Hagenplatz“, wo er Apfelstrudel aß. Lutz, der so viele Jahre lang die weltbekannte Stadt Berlin vermarktet hatte, genoss nun die ganz privaten, kleinen Orte von Grunewald. Candida Splett

Candida Splett

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